Eine Stadt - vielerlei Städte?
Als Bezeichnung für Rom selbst und besonders große und alte Gemeinwesen, die sich insbesondere durch imposante Stadtbefestigungen, Tempel und/oder Paläste auszeichneten, ist urbs am ehesten als Hauptstadt zu übersetzen. Durch die literarische Auseinandersetzung mit den hochkulturellen Hinterlassenschaften dieser Orte bekommt der Begriff bereits in der Antike eine eigene, von den spezifischen Fallbeispielen losgelöste Qualität, die sich in davon abgeleiteten Fremdwörtern wie „Urbanismus“ oder „Urbanität“ niedergeschlagen hat.
Quellen
- Dionysios von Halikarnassos, Römische Altertümer 4,13,3-5; Plinius der Ältere, Naturgeschichte 3,66-67
- Seneca der Jüngere, Trostschrift für Helvia 5,6,2
- Tacitus, Germania 16,1
Als Gegenstück zur urbs kann das oppidum gelten, das in den Quellen – etwa bei Caesar – zwar zahlreich und für ganz unterschiedliche Siedlungsformen verwendet wird, sich aber zumeist auf kleinere Gemeinwesen bezieht. Obwohl in der allgemeinen Anwendung nicht unumstritten, hat sich der Begriff in der archäologischen Forschung zur Bezeichnung von vorrömischen Städten in den römischen Nordwestprovinzen etabliert. Vor allem in den Stammgebieten der Kelten und Keltiberer (dem heutigen Frankreich und Spanien) bietet er ein Vergleichspotential für die dort oftmals ähnlich angelegten und in der Regel befestigten Höhensiedlungen.
Quellen
Der in unserem Fremdwort „Kolonie“ weiterlebende Begriff der colonia bezeichnete in der römischen Kaiserzeit einen besonders privilegierten Rechtsstatus, der einer Stadt wegen besonderer Verdienste verliehen wurde. Häufig sind es die Provinzhauptstädte, die vom Kaiser (zusätzlich zu ihren bisherigen Stadtrechten) als Titularkolonien ausgezeichnet wurden.
Ursprünglich stand der Begriff für eine von Rom ausgesandte Siedlergruppe, die sich – unter Beibehaltung ihrer Bürgerrechte – in einem kurz zuvor eroberten Territorium niederließ und eine Stadt errichtete. Jene wurde zumeist unter militärischen Gesichtspunkten organisiert, bestand also zunächst als eine Art großes Kastell. In der Folge der Bürgerkriege der späten Republik wurden coloniae vermehrt für die Ansiedlung von Veteranen in den Provinzen gegründet, die diesen Titel zumeist in der Kaiserzeit beibehielten.
Quellen
Neben den coloniae bedeutet in der Kaiserzeit die Klassifikation als municipium eine zweite Möglichkeit der Städteprivilegierung – verliehen etwa im Kontext eines Kaiserbesuchs. Entstanden war diese zweite Form des Stadtrechts bereits in frührepublikanischer Zeit: Im Zuge der römischen Expansion in Italien war die Einbeziehung verbündeter Stämme in das römische Bürgerrechtsystem ein dauerhaftes Anliegen. Um besonders wichtigen Verbündeten wie den Latinern auf städtischer Ebene Vorrechte einzuräumen, entwickelten die Römer eben jenen Rechtsstatus des municipium, welcher zwischen die besonders privilegierten coloniae und den weitestgehend rechtlosen sogenannten peregrinen Städten einzuordnen ist. Später konnten die Einwohner anderer Provinzstädte das sich hieraus ableitende latinische Bürgerrecht für sich in Anspruch nehmen.
Quellen
- Cicero, Über die Gesetze 2,3-5
- Gellius, Attische Nächte 16,13
- Cassius Dio, Römische Geschichte 41,24,1
City, cité, città, ciudad – viele moderne Sprachen leiten ihren Stadtbegriff und seine Derivate von der civitas ab, die dadurch auch in nachantiken Zusammenhängen überlebt hat. Das hängt auch damit zusammen, dass mit der Ausweitung des römischen Vollbürgerrechts auf das gesamte Reichsgebiet im frühen 3. Jh. n. Chr. civitas als Rechtstitel für Städte die etablierten Begriffe municipium und colonia verdrängt. Die bereits in der frühen Kaiserzeit übliche Benennung ganzer Völkerschaften und ihres Siedlungsgebietes als civitas bleibt dennoch erhalten und weist damit auf das breite Bedeutungsspektrum des Begriffes hin. Schon zuvor nämlich konnte mit civitas sowohl die Bürgergemeinde als auch die Gesamtheit von ummauertem Zentralort, dessen Landgebiet und ggf. weiteren darin zu findenden Siedlungen bezeichnet werden.
Quellen
- Vitruv, Über Architektur 1,2 und 1,7,1
- Plinius der Jüngere, Briefe 10,41,2
- Isidor von Sevilla, Etymologien 15,1
Die verschiedenen Städtetypen einer römischen Provinz
Das Beispiel Niedergermanien
Bildnachweise:
Weber, Max, (gemeinfrei) unter: Wikipedia