Von der Hüttensiedlung zur Stadt
Waren die Bauprojekte, die dem mythischen König Numa zugeschrieben wurden, noch von relativ bescheidenen Ausmaßen und wurden von den Römern wohl auch deswegen in die frühste Zeit der Stadtentwicklung datiert, lassen sich die baulichen Aktivitäten der letzten drei römischen Könige allesamt als Großprojekte bezeichnen. Den schriftlichen Berichten über diese gesteht die moderne Wissenschaft auch aufgrund der Übereinstimmung mit dem archäologischen Befund größere Glaubwürdigkeit zu als den vom Mythos geprägten Darstellungen der früheren Könige.
Die baulichen Aktivitäten fanden in erster Linie in der Talsenke zwischen dem Kapitol, Palatin und Aventin statt und erstreckten sich bis an das Ufer des Tibers (in der Nähe der Tiberinsel). Hier also ist das Zentrum des frühen Rom zu suchen, hier liegen die Ursprünge einer gänzlich neuen Form von Urbanität, die das römische Stadtbild bis heute prägt.
Häufige Überflutungen und die generell sumpfige Konstitution der Talsenke erlaubten deren Bebauung zunächst nur am Fuße der Hügel. Für eine Nutzung des gesamten Areals bedurfte es neben der Trockenlegung in der Folge auch einer Aufschüttung des Geländes. Die Karte zeigt die Areale, die auch nach der ersten Anlage des Forums noch regelmäßig von Überflutungen bedroht waren.
Die Voraussetzungen für eine großflächigere Bebauung schufen die Römer in der späten Königszeit, als unter den etruskischen Königen Tarquinius Priscus und Tarquinius Superbus ein Entwässerungskanal angelegt wurde, der zu diesem Zeitpunkt also noch nicht die Aufgabe erfüllte, Abwässer aus der Stadt zu transportieren, sondern eine wesentlich grundsätzlichere Funktion im Prozess der Stadtentwicklung übernahm. Vom Beginn der Bauarbeiten berichtet uns Livius.
Liv. 1,38,6 (Übers. H. J. Hillen): „Die Niederungen der Stadt rings um das Forum und andere Täler zwischen den Hügeln legte er (sc. Tarquinius Priscus) durch Kloaken, die von oben zum Tiber geführt wurden, trocken, weil aus dem ebenen Gelände das Wasser nur mühsam herausfloss.“
Die später als Cloaca Maxima in die Geschichte eingegangene Konstruktion gestaltete sich ursprünglich, d. h. im späten 7. u. frühen 6. Jh., noch nicht als unterirdisches Gewölbe, sondern als offener Kanal. Zu seiner Überquerung dienten einfach Holzplanken als Brücken.
Im Gegensatz zu anderen Kanalsystemen, die aus dieser Zeit bekannt sind, war die Cloaca Maxima aber von Anfang an mehr als nur ein ausgehobener Entwässerungsgraben. Schon die archaische Konstruktion, hier im Bild mit der spätere hinzugefügten Decke, war eine technische anspruchsvolle Steinkonstruktion. Die Arbeiten waren so anstrengend, dass sich die römische Bevölkerung einem Einsatz in dem Bauprojekt teilweise sogar doch Selbstmord entzogen haben soll, wie uns der Naturforscher Plinius berichtet.
Plin. nat. 36,105-108 (Übers. R. König): „Durch die Stadt fließen sieben Flüsse, die in einem Kanal zusammenkommen und durch ihren raschen Lauf wie Gießbäche zwangsläufig alles fortreißen und wegschwemmen und obendrein, durch die Menge des Regenwassers angetrieben, den Grund und die Seiten erschüttern; manchmal wird auch die zurücklaufende Strömung des Tiber aufgenommen, und es kämpfen im Innern die verschiedenen Gewalten der Gewässer, und doch widersteht unnachgiebig der feste Bau. Darüber werden riesige Lasten geschleppt, ohne daß die Gewölbe nachgeben; Trümmer, die von selbst herabstürzen oder bei Bränden darauf fallen, schlagen , der Boden wird durch Erdbeben erschüttert, und dennoch stehen sie seit Tarquinius Priscus fast 700 Jahre lang unzerstörbar fest; dabei darf eine denkwürdige Tatsache um so weniger übergangen werden, als sie von den berühmtesten Geschichtsschreibern nicht berücksichtigt wurde: Als Tarquinius Priscus dieses Werk durch die Hände des Volkes bauen ließ und es ungewiß war, ob die Arbeit noch größer oder langwieriger würde, entzogen sich die Quiriten, um dem Überdruß zu entfliehen, häufig durch Selbstmord; (...) soll die Gewölbe so groß angelegt haben, daß eine mit Heu hoch beladene Fuhre hindurchgehen sollte.“
Zwischen Kapitol und Palatin verlief die Cloaca Maxima und mündete schließlich in den Tiber. Wie auf der Karte zu sehen ist, schuf sie damit Bauland, auf dem einige der wichtigsten städtebaulichen Ensembles Roms entstehen sollten: die Kaiserforen, das Forum Romanum und – für die frühe Stadtentwicklung von besonderer Bedeutung – das Forum Boarium (Rinderforum), auf dem die Bürger mit Lebensmitteln handelten.
Mit ihrer Anlage waren die Bauarbeiten an der Cloaca Maxima aber keineswegs abgeschlossen. Die Gefahr eines Einsturzes führte dazu, dass sie in späterer Zeit nicht selten umgeleitet wurde, wenn über ihr größere Gebäude entstehen sollten. Hier sehen wir den Treffpunkt eines archaischen, eines früh- und eines spätrepublikanischen Abschnitts des Kanals.
Neben der Cloaca Maxima diente eine ganze Reihe von Kanälen zunächst der Urbarmachung weiterer Gebiete am Tiberufer und später dem Transport der Abwässer aus der Stadt heraus. Die Karte zeigt die verschiedenen Kloaken, die das Rom der Kaiserzeit unterirdisch durchzogen und die Abwässer aus den nicht unmittelbar am Tiber gelegenen Stadtteilen entsorgten.
Die Größe der Cloaca Maxima von bis zu 3m Breite und 4m Höhe gab ihr nicht nur ihren Namen (maxima = die Größte), sondern wurde auch von dem Griechen Strabon bewundert. Sein Staunen wird nachvollziehbar, wenn wir uns die am Pons Aemilius gelegene Mündung der Kloake in den Tiber anschauen.
Str. 5,3,8 (Übers. S. Radt): „Diese Glücksgaben schenkt die Natur des Landes der Stadt. Ihnen haben die Römer noch die Gaben der Vorsorge hinzugefügt. Während nämlich den Griechen vor allem eine glückliche Hand bei ihren Gründungen nachgesagt wurde, weil sie ihr Augenmerk auf Schönheit, natürliche Befestigung, Häfen und wohlbeschaffenes Land richteten, waren sie vor allem bedacht auf die Dinge um die jene sich wenig kümmerten: Anlage von gepflasterten Straßen, Herbeileitung von Wasser und unterirdische Gänge, die imstande waren, den Schmutz der Stadt in den Tiber zu spülen (...). Die unterirdischen Gänge, die aus regelmäßigen Steinen herabgebogen sind, lassen manchmal Straßen übrig, die für Heuwagen befahrbar wären.“
Der Zusammenschluss (Synoikismos) der Hüttensiedlungen auf den Kuppen der umliegenden Hügel erfolgte wohl seit der Mitte des 7. Jh. v. Chr., als die Sumpfgebiete der Talsenke durch Drainagen trocken gelegt wurden. An ihrer Stelle entstand mit dem Forum ein gepflasterter Platz, der den Siedlern fortan als gemeinsames Zentrum diente. Damit waren die Voraussetzungen für die folgende Urbanisierung des Gebietes geschaffen.
Die Anfänge der Urbanisierung Roms waren von relativ bescheidenen Ausmaßen und am Fuße der Hügel gelegen. Wohl auch deshalb projizierte die antike Überlieferung sie in eine noch fernere Vergangenheit. So soll das Heiligtum für die Göttin Vesta bereits von Numa Pompilius, dem Nachfolger des Romulus, errichtet worden sein. Das Wirken Numas ist Teil einer mythischen Erzählung, die auch die Stadtwerdung Roms beschreibt. Strenggenommen handelte es sich bei dem Gebäude allerdings nicht um einen Tempel. Über die Einrichtung des Kultes hören wir von dem Dichter Ovid:
Ov. fast. 6,257-262 (Übers. N. Holzberg)
„Vierzigmal feierte Rom die Palilien, als man in ihren /
Tempel die Göttin des Herds aufnahm - so wird uns erzählt. /
Das war das Werk eines friedlichen Königs. Das Land der Sabiner /
Brachte keinen hervor, der ihm an Frömmigkeit glich. /
Was man heute in Erz sieht, das war mit Stroh bedeckt damals, /
Und aus Weidengeflecht waren die Wände gebaut.“
Die heute sichtbaren Überreste des Vestaheiligtums stammen aus der Zeit des Kaisers Septimius Severus (192-211), also aus dem späten 2. bzw. frühen 3. Jhd. n. Chr. Das Gebäude, in dem die Priesterinnen der Göttin, die jungfräulichen Vestalinnen, das ewige Feuer hüteten, zeigt sich als von Säulen umgebener Rundbau. Damit erinnerte es an die Behausungen der ersten Bewohner Roms – für die Göttin des Herdes durchaus angemessen. Über die Vestalinnen berichtet uns Livius Folgendes.
Liv. 1,20,3 (Übers. H. J. Hillen):
„Außerdem wählte er (sc. Numa) Jungfrauen für den Dienst der Vesta, ein Priesteramt, das aus Alba stammte und dem Volke des Stadtgründers wohlvertraut war. Damit sie ständig als Priesterinnen im Heiligtum fungieren konnten, bestimmte er für sie einen Betrag aus öffentlichen Mitteln; durch Verpflichtung zur Jungfräulichkeit und durch sonstige Bräuche gab er ihnen eine Aura der Ehrwürdigkeit und Heiligkeit.“
Die weitere Rekonstruktion des Heiligtums und Kultes stützt sich neben schriftlichen Zeugnissen auch auf die bildlichen Darstellungen in Form von Reliefs oder Münzen. Im Münzbild sind hier sechs Vestalinnen zu erkennen, die ihrer Göttin am heiligen Feuer ein Opfer darbringen. Auf der linken Seite hält die dem Feuer am nächsten stehende Priesterin eine Opferschale (patera) in der Hand. Die Aufschrift S(ENATUS) C(ONSULTO) verrät, dass die Münzprägung auf Beschluss des Senates erfolgte. Über den Kult für die Göttin erfahren wir erneut von Ovid.
Ov. fast. 6,295-298 (Übers. N. Holzberg):
„Lang hab' ich Dummkopf geglaubt, es gebe Bilder der Vesta! /
Daß unterm Runddach jedoch keins ist, erfuhr ich schon bald. /
Unauslöschliches Feuer wird dort im Tempel gehütet; /
Vesta und Feuer, die zwei haben nun einmal kein Bild.“
Aus einer anderen Perspektive werfen wir einen Blick in das Innere des Heiligtums, in dem sowohl die von Aeneas geretteten Penaten als auch das Palladium aufbewahrt wurden. Letzteres war ein Kultbild der Pallas Athene, die in Rom unter dem Namen Minerva Verehrung als Schutzgöttin der Stadt erfuhr. Zu dem Götterbild äußert sich Livius.
Liv. 5,52,7 (Übers. H. J. Hillen): „Was soll ich von dem ewigen Feuer der Vesta und dem Götterbild sagen, das als Unterpfand der Herrschaft in der Obhut dieses Tempels aufbewahrt wird?“
Zu sehen ist ein Denar des Q. Cassius (55 v. Chr.) mit einer Darstellung des Vestaheiligtums in republikanischer Zeit. Links des Gebäudes ist eine Urne abgebildet. Im Tempelinneren steht eine sella curulis, der Amtsstuhl der römischen Magistrate, von dem aus diese Recht sprachen, was auch durch die Aufschrift A(BSOLVO) C(ONDEMNO) bestätigt wird. Auf dem Dach ist eine Statue zu erkennen, die wohl das Palladium darstellen soll. Das Ensemble des Münzbildes erhebt das Heiligtum zu einem zentralen Symbol für das römische Gemeinwesen und Gemeinschaftsleben.
Zu den frühesten für uns fassbaren Bauten gehört die Regia. Ihr Name ist von dem lateinischen Wort für König – rex – abgeleitet. Numa Pompilius soll sie als Amtslokal der römischen Könige errichtet haben, wie uns der Biograph Plutarch berichtet. Aufgrund ihrer bescheidenen Größe gehen wir heute davon aus, dass sie nicht gleichzeitig als Residenz diente. Von den acht verschiedenen Bauphasen, die an dieser Stelle archäologisch nachweisbar sind, ist heute nur noch die letzte sichtbar.
Plut. Numa 14,1 (Übers. K. Ziegler): „Nachdem Numa die Priestertümer eingerichtet hatte, erbaute er nahe dem Vestatempel die sogenannte Regia, das heißt Königshaus, und hielt sich meistens dort auf, entweder mit gottesdienstlichen Handlungen beschäftigt oder die Priester belehrend oder für sich über eine religiöse Frage nachdenkend.“
Die ersten archäologischen Spuren der Regia stammen vom Ende des 7. bzw. Anfang des 6. Jh. v. Chr. In ihrem ursprünglichen Zustand, hier durch die breiten schwarzen Linien aus den Überresten späterer Bauphasen hervorgehoben, war sie von etwas kleineren Ausmaßen als ihre Nachfolgebauten. Die äußeren Linien verzeichnen die noch heute sichtbaren Spuren des Gebäudes, das Cn. Domitius Calvinus 36 v. Chr., also in spätrepublikanischer Zeit, nach einer Brandzerstörung wiedererrichten ließ.
In republikanischer Zeit diente die Regia, die hier als Modell in ihrem Zustand vor der Zerstörung und dem Wiederaufbau 36 v. Chr. zu sehen ist, dem römischen Oberpriester (pontifex maximus) als Amtssitz. Dieser hatte die kultischen Funktionen der römischen Könige übernommen und war daher zunächst als Opferkönig (rex sacrorum) bezeichnet worden. Als solcher war er dafür prädestiniert, seine Funktionen in der Regia auszuüben. Schon Numa soll hier seinen religiösen Pflichten nachgekommen sein.
Dieses Modell der kaiserzeitlichen Regia zeigt das Gebäude mit einem Innenhof nach Art eines Atriums oder Peristyls. Durch die architektonische Anlehnung an die frühen etruskischen Wohnhäuser scheint das Gebäude auch noch in späterer Zeit einen vergleichsweise archaischen Charakter bewahrt zu haben und blieb damit stets ein Symbol für die mythischen Ursprünge und die frühe Phase der Stadtentwicklung.
Die signifikante Form des Gebäudes, wie es sich in der augusteischen Zeit darstellte, ist aus der Luft noch heute gut zu erkennen. Der archäologische Befund hat gezeigt, dass die Regia im Laufe der Jahrhunderte trotz zahlreicher Renovierungen baulich nur geringfügig verändert wurde und ihren Grundriss weitgehend beibehalten hat. Ihre bescheidene Größe wurde für den Dichter Ovid zum Vergleichspunkt für die Monumentalisierung, die Rom über die Jahrhunderte erfahren hatte:
Ov. fast. 6,263-264 (Übers. N. Holzberg):
„Dieser winzige Platz, den das Atrium Vestas jetzt ausfüllt, /
War der große Palast Numas, des bärtigen, einst!“
Die heutigen Überreste des einstigen Forum Boarium liegen in unmittelbarer Nähe zu der Stelle, an der die Cloaca Maxima in den Tiber mündet. Die Anlage des Platzes, der das Zentrum des Handels im archaischen Rom war, wurde also ebenfalls durch die Trockenlegung der Talsenke möglich. Als Ort, der den Bewohnern Roms eine Zentralisierung von Handelsbeziehungen erlaubte, trug das „Rinderforum“ wesentlich zu Zusammenwachsen der Gemeinschaft und zur Stadtwerdung Roms bei.
Als ökonomische Infrastruktur, vor allem für den Verkauf und Erwerb von Lebensmitteln, diente das Forum Boarium zunächst den Grundbedürfnissen einer frühen städtischen Gesellschaft, die zunehmend auf die Versorgung aus ihrem Umland angewiesen war. Die Gebäude, die in der Kaiserzeit den Platz füllten, zeigen, dass dieser im Laufe der Zeit auch eine repräsentativere Ausgestaltung erfuhr.
Die wichtige ökonomische Funktion des Platzes ist allerdings in den Getreidespeichern (horrea) zu fassen, die unmittelbar am Ufer des Tibers lagen. Insbesondere das Getreide, das Rom über die Treidelschifffahrt auf dem Tiber erreichte, wurde hier gelagert.
Die Bodenuntersuchungen im Gebiet des Forum Boarium haben auch zu einer Rekonstruktion von Roms erstem Flusshafen geführt, der bereits im 6. Jh. v. Chr. in Betrieb war. Die Möglichkeit, die ankommenden Schiffe in unmittelbarer Nähe zu dem Handelsplatz anzulanden und die Waren hier in Speichern zu lagern, zeigt ein frühes Bewusstsein für logistische Erwägungen bei der Stadtplanung.
Das wohl spektakulärste Bauprojekt der Frühzeit Roms wurde auf einem der sieben Hügel, dem Kapitol, realisiert, der dem Bau auch zu seinem Namen verhelfen sollte: Capitolium. Es handelt sich um den großen Tempel für Jupiter Optimus Maximus (bester, größter Jupiter) bzw. die Kapitolinische Trias, dessen Überreste hier im Kontext der modernen Bebauung des Hügels dargestellt sind. Kurz und knapp äußert sich Livius zu den ersten Arbeiten auf der Großbaustelle.
Liv. 1,38,7 (Übers. H. J. Hillen): „Und den Platz für den Jupitertempel auf dem Kapitol, den er im Sabinerkrieg gelobt hatte, gewann er (sc. Tarquinius Priscus) durch die Anlage von Stützmauern, als wenn ihm die künftige Bedeutung des Ortes schon vorgeschwebt hätte.“
Bei der sogenannten Kapitolinischen Trias handelt es sich um den Göttervater Jupiter (Mitte), seine Schwester und Gemahlin Juno (rechts) sowie seine Tochter Minerva (links), die alle auch eine wichtige Rolle in der Legende um Aeneas spielen.
Von dem einstmals prächtigen Tempel, der bis in die Kaiserzeit der größte Roms bleiben sollte, sind heute nur noch wenige Grundmauern erhalten. Die letzten drei römischen Könige sollen den Bau des Heiligtums initiiert und größtenteils durchgeführt haben. Seine Weihung (dedicatio) erfolgte allerdings im ersten Jahr nach der Vertreibung der Könige aus Rom, die die Römer traditionell in das Jahr 509 v. Chr. datierten. Er wurde somit auch zum Symbol der göttlichen Zustimmung zu der neuen republikanischen Ordnung. So berichtet es uns zumindest der kaiserzeitliche Schriftsteller Tacitus.
Tac. hist. 3,72,2 (Übers. J. Borst): „Der Bau stand, solange unser Kampf um das Vaterland ging. Feierlich gelobt hatte den Tempel zur Zeit der Sabinerkriege der König Tarquinius Priscus, auch die Grundmauern hatte er gelegt, mehr in hoffnungsvollem Ausblick auf künftige Größe, als daß die damals noch bescheidenen Mittel unseres Volkes ausgereicht hätten. In der Folge führten Servius Tullius unter eifriger Beteiligung der Bundesgenossen, dann Tarquinius Superbus, dem nach der Einnahme von Suessa Pometia der Ertrag der Feindesbeute zur Verfügung stand, den Bau weiter. Der mit der Errichtung des Baus verknüpfte Hauptruhm blieb aber der Zeit des Freistaates vorbehalten. Nach der Vertreibung der Könige nahm Horatius Pulvillus während seines zweiten Konsulats die Einweihung vor, und zwar mit einer Prachtentfaltung, daß die nachmaligen unermeßlichen Schätze des römischen Volkes mehr einzelne Verschönerungen anbringen als die Pracht erhöhen konnten.“
Der Grundriss des Tempels zeigt schon auf den ersten Blick seine Besonderheit: Hinter dem Vorbau, bestehend aus einer Säulenhalle, befanden sich nicht ein, sondern drei Kulträume (cellae). Jeder dieser Räume war einem Mitglied der Kapitolinischen Trias gewidmet und beherbergte das Kultbild der jeweiligen Gottheit.
Die Tempelfront lässt sich aus bildlichen Darstellungen wie auf dieser Münze des Marcus Volteius aus dem Jahr 78 v. Chr. rekonstruieren. Markant sind auch hier die geschlossenen Türen der drei Eingänge hinter dem Säulenvorbei zu erkennen. Es handelt sich um die Rückseite (Revers) eines Denars des M. Volteius, der die Front des Capitoliums zeigt. Die vollständige Aufschrift unterhalb des Münzbildes lautet M(ARCUS) VOLTEI(US) M(ARCI) F(ILIUS), von der hier allerdings ein Teil verloren gegangen ist.
Von seiner erhöhten Lage aus dominierte das Capitolium, hier in einem rekonstruierten Modell, das Stadtbild des frühen Rom. Es wurde im Zuge der römischen Expansion und der Romanisierung eroberter Gebiete aber auch zu einem regelrechten „Exportschlager“. Die meisten größeren Städte verfügten während der Kaiserzeit über einen Tempel für die Kapitolinische Trias im Stadtzentrum. Die Schutzgottheiten Roms auch in der eigenen Heimat zu verehren, war Ausdruck der Loyalität gegenüber dem Imperium Romanum und ein verbindendes Element städtischer Identitäten.
Der sogenannte Circus Maximus, nicht nur dem Namen nach die größte Pferderennbahn der antiken Welt, ist aufgrund seiner gewaltigen Ausmaße eines der ersten Monumente, das auf Luftaufnahmen der Stadt sichtbar wird. Er lag am Südhang des Palatin.
Zwischen dem Palatin, Aventin und Tiber sowie in unmittelbarer Nähe zum Forum Boarium gelegen, fällt der Circus Maximus in die Reihe der Bauprojekte, die erst durch die endgültige Trockenlegung der Talsenke zwischen den Hügeln ermöglicht wurden. Er zeigt, dass auch ein ausreichendes Unterhaltungsangebot früh zu den Konstituenten einer städtischen Lebenswelt gehörte.
Die Ausmaße der Rennbahn sind noch heute leicht zu erfassen. Am Fuße des Palatins gelegen, sind von den antiken Tribünen, von denen aus die Zuschauer in der Antike dem Wettrennen der Viergespanne folgten, keinerlei Reste erhalten geblieben. Der künstlich angelegte Grünstreifen markiert die spina, jene „Leitplanke“, die bei den Wettkämpfen mehrfach umrundet werden musste. Die schier übermenschlichen Mühen, welche die großen Bauprojekte der archaischen Zeit verursachten, lässt ein Bericht des Livius erahnen.
Liv. 1,56,2 (Übers. H. J. Hillen): „Obwohl diese schon an sich nicht leichte Arbeit noch zum Kriegsdienst hinzukam, fühlte sich die Plebs doch dadurch, daß sie beim Bau der Göttertempel mit Hand anlegen mußte, weniger beschwert als später, wo sie auch noch zu anderen Baumaßnahmen herangezogen wurde, die nach außen hin weniger Eindruck machten, aber erheblich mehr Mühe kosteten: zum Errichten der Sitze im Circus und zur unterirdischen Anlage der Cloaca Maxima, die die Abwässer der ganzen Stadt aufnehmen sollte; diesen beiden Baumaßnahmen hat selbst die Pracht unserer Zeit kaum etwas Vergleichbares an die Seite stellen können.“
Das Modell zeigt den Circus in der Kaiserzeit. Zunächst fanden die Römer ihren Platz aber wohl lediglich auf den Hängen der angrenzenden Hügel, was auch die Auswahl des Ortes für den circus erklärt. Die etruskischen Könige Roms ließen bereits befestigte Sitzreihen errichten, von denen die besten Plätze den führenden Mitgliedern der Gesellschaft vorbehalten blieben. Das Bauprojekt ist also auch Teil einer sich sukzessive ausdifferenzierenden Sozialstruktur, wovon uns Livius berichtet.
Liv. 1,35,8-9 (Übers. H. J. Hillen): „Damals (sc. nach Regierungsantritt von Tarquinius Priscus) wurde auch zum erstenmal für den Circus, der heute Circus Maximus heißt, der Platz abgesteckt. Den Senatoren und den Rittern wurden gesonderte Plätze angewiesen, wo sich jeder von ihnen Zuschauersitze errichten konnte; die nannte man fori (Sitzreihen); sie sahen von den Sitzen aus zu, die auf zweizinkigen Pfosten ruhten und zwölf Fuß über der Erde waren. Die Vorführung bestand aus Pferderennen und Faustkämpfen, deren Akteure man vor allem aus Etrurien herbeigeholt hatte. Die feierlichen Spiele wurden dann zu einer jährlichen Einrichtung und wurden entweder ludi Romani (Römische Spiele) oder ludi magni (Große Spiele) genannt.“
Bildliche Darstellungen wie auf dieser Münze Trajans sind vor allem für die Rekonstruktion der spina bzw. ihrer Aufbauten interessant. Auf ihr befanden sich nicht nur technische Vorrichtungen, durch die bspw. die Anzahl der absolvierten bzw. noch zu fahrenden Runden für die Zuschauer sichtbar gemacht werden konnte. Auch eine Reihe von Objekten mit sakraler Bedeutung fanden auf ihr einen Platz.
An der Piazza del Popolo steht noch heute der Obelisk, der in der Kaiserzeit die spina schmückte. Solche Objekte wurde auch deshalb in der Spielstätte aufgestellt, da neben den Wagenrennen auch die Triumphzüge römischer Feldherren (pompa triumphalis) durch den Zirkus führten. Dieser bot nämlich schön in früher Zeit großen Mengen an Menschen, die sich ein solches Spektakel ansahen, die Gelegenheit einen guten Blick auf den Triumphator und seine Soldaten zu erhaschen.
Das frühe Rom lag in den Grenzen der Servianischen Mauer. Auf der Karte sind auch die Hauptzugangsstraßen und -tore eingezeichnet. Innerhalb der Mauer sind die wichtigsten Bauwerke des archaischen Rom erkennbar: Der Tempel des Jupiter Optimus Maximus auf dem Kapitol, das Forum Romanum und der Circus Maximus.
Das frühe Rom lag zwischen den etruskischen Einflussgebieten in Norditalien und den griechischen Städten (Poleis) Süditaliens (Magna Graecia). Als aufstrebende Militärmacht waren die Römer beim Ausbau der Stadt auch auf ihre Wehrhaftigkeit bedacht und umgaben sie mit einer soliden Verteidigungsanlage. Die heutigen Überreste der Mauer stammen aus dem 4. Jh.; die damals errichtete Quadersteinmauer folgte in ihrem Verlauf aber wohl derjenigen, die ihren Namen dem König Servius Tullius verdankte. Von diesem Projekt berichtet uns Livius.
Liv. 6,32 (Übers. H. J. Hillen): „Die Schuldner hatten eine kleine Frist zum Aufatmen erhalten; nachdem man aber vor den Feinden Ruhe hatte, kam es erneut zu zahlreichen Urteilssprüchen, und es gab wenig Hoffnung auf eine Erleichterung bei den alten Zinsen; vielmehr wurden durch eine Abgabe für die Errichtung einer Mauer aus Quadersteinen, die die Zensoren in Auftrag gegeben hatten, sogar neue Zinslasten geschaffen.“
Die servianische Mauer erweist sich als eine Struktur von großer räumlicher Ausdehnung und damit gleichermaßen auch als eine Herausforderung für Stadtarchäologie und moderne Stadtplanung. Reste der Mauerkonstruktion aus dem 4. Jh. sind bspw. in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof Termini zu sehen.
Teile der Servianischen Mauer wurden in die modernen Häuserfronten integriert, um sie erhalten zu können, wie hier in der Via Carlo Alberto. Zugleich sind solche Fotos aber auch sichtbare Sinnbilder dafür, dass die Vergangenheit einer Stadt immer Teil ihrer Gegenwart ist.
Bildnachweise:
Satellitenansichten - © Google Earth;
Cloaca Maxima, Verlauf - Wikimedia Commons, Mündung - Wikimedia Commons;
Cloaca Maxima, sonstige Abb. - John N. N. Hopkins: The Cloaca Maxima and the Monumental Manipulation of Water in Archaic Rome, in: The Waters of Rome 4 (2007), 1-15;
Synoikismos - F. Kolb: Das antike Rom, München 2007;
Vesta-Heiligtum, Lageplan - R. T. Scott: The Excavations (drawings by P. Henderson), in: Idem (Ed.): Excavations in the Area Sacra of Vesta (1987-1996), Ann Arbor (Mi.) 2009, 4, fig. A3 ;
Vesta-Heiligtum - Wikimedia Commons, Wikimedia Commons;
Regia - Wikimedia Commons;
Regia, Grundriss - E.M. Steinby (Ed.): Lexicon Topographicum Urbis Romae. Vol. IV, Rom 1999, 461, fig. 75;
Regia, Modell - B. Steinmann / R. Nawracala / M. Boss (Eds.): Im Zentrum der Macht. Das Forum Romanum im Modell, Erlangen/Nürnberg 2011, 66, Abb. 44;
Regia - 3D-Rekonstruktion, 3D-Rekonstruktion;
Vesta-Heiligtum und Regia - B. Steinmann / R. Nawracala / M. Boss (Eds.): Im Zentrum der Macht. Das Forum Romanum im Modell, Erlangen/Nürnberg 2011, 54, Abb. 31;
Forum Boarium - E.M. Steinby (Ed.): Lexicon Topographicum Urbis Romae. Vol. II, Rom 1995, 463, fig. 125; F. Coarelli: Roma, Rom 2008, 412; 413;
Forum Boarium, Modell - A.L. Brock: Envisioning Rome’s Prehistoric River Harbor: An Interim Report from the Forum Boarium, in: Etruscan Studies 19 (2016), 1–22;
Kapitol, Plan - M. Cristofani: La grande Roma dei Tarquini. Catalogo della mostra. Roma 1990, Rom 1990, 75, fig. 3.7;
Kapitol, Trias - Wikimedia Commons, Grundmauern - Wikimedia Commons;
Kapitol, Grundriss - F. Coarelli: Roma, Rom 2008, 30, Rekonstruktion - Wikimedia Commons;
Circus Maximus, Plan - F. Marcattili: Circo Massimo. Architetture, funzioni, culti, ideologia, Rom 2009, 19, fig. 3;
Circus Maximus - Wikimedia Commons, Modell - Wikimedia Commons, Obelisk - Wikimedia Commons;
Servianische Mauer - M. Barbera / M Magnani Cianetti: Archeologia a Roma Termini. Le Mura Serviane e l‘area della Stazione: scoperte distruzioni es restauri, Mailand 2008, 13; 20; 63.