Rom als Hauptstadt der Ökumene
Der Palatin gilt als Ursprung Roms. Die ältesten Hüttensiedlungen sollen sich hier schon im 10. Jhd. v. Chr. befunden haben. Das Lupercal, jene Höhle, in der die Wölfin dem Mythos zufolge die Zwillinge Romulus und Remus gesäugt hatte, befand sich am Rand des Hügels; auch Romulus soll hier als König sein bescheidenes Quartier genommen haben. Mit dem Übergang von der Republik zur Kaiserzeit wurde der geschichtsträchtige Ort erneut zum Sitz des Monarchen, als die römischen Kaiser ihre Palastanlagen an dieser Stelle zu errichten begannen.
Der Palatin war schon in republikanischer Zeit ein beliebter Wohnort der Aristokraten, die hier ihre Stadthäuser (domus) errichteten. Auf der Luftaufnahme wird unmittelbar klar, warum: Viel zentraler konnte man nicht wohnen. Im Norden schloss sich das Forum Romanum an, am Südhang erstreckte sich der Circus Maximus, im Westen lag das Forum Boarium. Die zentralen Orte für Politik, Wirtschaft und Unterhaltung des republikanischen Roms lagen also in unmittelbarer Nachbarschaft des Hügels.
Zwar macht der Palatin nur einen Bruchteil der Fläche des heutigen Stadtgebietes aus. Dass er aber ausreichend Fläche bot, um in zentraler und erhöhter Lage einen Palast zu beherbergen, der dem Herrscher sowohl Wohnraum als auch repräsentative Flächen für seine Amtsgeschäfte bot, macht eine Aufnahme aus der Luft deutlich. Sie zeigt auch, dass der Hügel im Laufe des 1. Jhd. in einer Weise ausgebaut wurde, dass schließlich die gesamte Kuppe Teil des Palastes war. Das Wort Palast (lateinisch: palatium) leitet sich übrigens deutlich hörbar von dem Namen des Hügels ab.
Der Blick über den Circus Maximus auf den Hügel, zeigt die Überreste des Palastes, der sich in zwei Bereiche teilte – den östlicheren Teil, die Domus Augustana, und den westlicheren Teil, die Domus Flavia, die von Domitian errichte wurde. Eine schematische Teilung in einen Wohn- und einen Arbeitsbereich lässt sich jüngeren Forschungen zufolge nicht mehr aufrechterhalten. Beide komplexe enthielten wohl Räumlichkeiten zu verschiedenen Zwecken. Das die immer monumentalere Anlage das Stadtbild Roms in der Kaiserzeit zunehmend prägte, ist in jedem Falle gut nachvollziehbar.
Schon der erste Kaiser Augustus residierte auf dem Palatin, allerdings noch in einer weitgehend traditionellen aristokratischen Domus. Er begann allerdings bereits mit Ausbauarbeiten, die den Grundstein für den Umbau des Areals in einen Palastbezirk legten.
Suet. Aug. 72,1 (Übers. Otto Wittstock): „In den übrigen Lebensbereichen war er – so viel steht fest – überaus enthaltsam und frei von jeglichem Verdacht irgendeines Lasters. Er wohnte anfangs oberhalb der Ringmacher-treppe am Forum Romanum in einem Haus, das dem Redner Calvus gehört hatte, später auf dem Palatium, aber in dem nichtsdestoweniger bescheidenen Haus des Hortensius, das weder durch die Weitläufigkeit seiner Anlage noch durch den Prunk der Ausstattung auffiel und nur kurze Säulengänge aus dem Stein der Albanerberge und Zimmer ohne jeglichen Marmorschmuck und ohne glänzenden Fußboden besaß.“
Die Wandmalereien, die man ihm sogenannten Haus des Augustus gefunden hat, zeugen dennoch von einem gewissen Luxus. Hier zu sehen sind Girlanden an denen sich die Zapfen und Nadeln einer Konifere abzeichnen, die dem entsprechenden Raum zu seinem Namen verholfen hat: Pinienzimmer.
Auf dieser Wandmalerei, die einen als studio oder cubiculum des Augustus bezeichneten Raum schmücke, sind die kräftigen, teils sogar grellen Farben zu erkennen, mit denen die Römer ihre Häuser schmückten. Doch nicht nur das: Die Wandmalerei zeigt auch Architekturelemente und diese werden ebenfalls farbig oder mit farbigen Akzenten dargestellt. Die Vorstellung von Rom als einer Stadt ganz in weißem Marmor ist also verkehrt. Das antike Rom war bunt.
Dass es sich trotz der ostentativen Bescheidenheit der ersten Kaiserresidenzen auf dem Palatin um einen repräsentativen Bau handelte, davon zeugen die Ehrenabzeichen, die Augustus vom Senat zugesprochen worden waren und die sein Wohnhaus zierten. Lorbeer schmückte die Türpfosten und die Bürgerkrone, ein Kranz aus Eichenlaub, war über der Pforte angebracht. Die entsprechenden Auszeichnungen wurden auch durch Münzprägungen und das Lob der Dichter bekannt gemacht.
Ov. fast. 4,954 (Übers. Niklas Holzberg): „Vesta, nimm deinen Tag! In die Wohnung ihres Verwandten Nahm man sie auf; das beschloß einst der gerechte Senat. Einen Teil besitzt Phöbus, den andern hat Vesta erhalten. Was noch bleibt, das hat er (Augustus) selber in seinem Besitz. Auf dem Berg Palatin stehe ewig der Lorbeer! Der Eichkranz Schmücke das Haus: Es birgt drei ewige Götter allein!“
Auch Augustus selbst verweist in seinem Tatenbericht auf die entsprechende Ausstattung seines Hauses und hebt damit deren Bedeutung hervor. Darüber hinaus erwähnt er auch einen Ehrenschild mit Inschrift - SENATUS / POPULUSQUE ROMANUS / IMP(ERATORI) CAESARIS DIVI F(ILIO) AUGUSTO / CO(N)S(ULI) VIII DEDIT CLUPEUM / VIRTUTIS CLEMENTIAE / IUSTITIAE PIETATIS ERGA/ DEOS PATRIAMQUE (AE 1952, 165) -, der für ihn in der Kurie des Senates auf dem Forum Romanum ausgestellt wurde und der sich in einer marmornen Kopie erhalten hat.
R. Gest. div. Aug. 34 (Übers. Ekkehard Weber): „Für dieses mein Verdienst wurde ich auf Senatsbeschluß Augustus genannt, die Türpfosten meines Hauses wurden öffentlich mit Lorbeer geschmückt, der Bürgerkranz über meinem Tor angebracht sowie ein goldener Schild in der Curia Iulia aufgehängt, den mir Senat und Volk von Rom widmeten ob meiner Tapferkeit, Milde, Gerechtigkeit und Pflichttreue, wie die auf diesem Schild angebrachte Inschrift bezeugt.“
Ein Motiv der Wandmalereien aus dem Haus des Augustus verweist bereits auf das zweite wichtige Bauwerk, dass der erste Kaiser auf dem Palatin errichtete, und das kenntlich machte, dass es sich bei dem Komplex eben doch nicht um das Privathaus eines gewöhnlichen Senators handelte. Das Bild zeigt eine Darstellung des Gottes Apollo, den Augustus in den Bürgerkriegen als seinen Schutzpatron erwählt hatte. Ihm sollte er einen mit seinem Haus verbundenen Tempel auf dem Palatin weihen, der auch als Tagungsort des Senates fungieren konnte. Damit befand sich neben dem Wohnhaus von Beginn an auch ein Teil der administrativen Aufgaben des Kaisers auf den Palatin verlagert.
Das Wohnhaus des Augustus und der Tempel des Apoll lagen im Westen des späteren Palastareals. Über die Wahl des Standortes des Heiligtums berichtet uns Sueton.
Suet. Aug. 29,3 (Übers. Otto Wittstock): „Den Apollotempel errichtete er in dem Teil seines Hauses auf dem Palatin, der von dem Gott selbst gewünscht wurde, wie die Eingeweideschauer erklärt hatten, weil er vom Blitz getroffen worden war.“
Neben dem Apollotempel, von dem einige erhaltene Überreste noch heute auf dem Palatin zu sehen sind – sowie hier ein Bruchstück des Kultbildes –, errichtete Augustus auch einen Tempel für die Göttin Vesta, da ein Heiligtum dieser Göttin in der Nähe liegen musste, damit der Kaiser seine Funktion als Oberpriester (pontifex maximus) ausüben konnte. Die Anlage von Tempeln auf dem Palatin war also ein wichtiger Schritt, um dem Ensemble einen öffentlichen Charakter zu geben und so die Entwicklung in Richtung eines echten Palastes zu befördern.
Die Gliederung des Areals ist aus der Luft zu erkennen. Im Südosten liegt ein Stadion. In Richtung Nordwesten schließt sich die Domus Augustana als langgezogenes Rechteck an, die in julisch-claudischer Zeit ausgebaut wurde. Mit ähnlichen Ausmaßen schließt sich dann die im letzten Viertel des 1. Jh. errichtete Domus Flavia an. Den übrigen Bereich bilden das Haus des Augustus und das Haus der Livia, in deren Ensemble auch der Apollotempel zu erkennen ist.
An der Palastanlage wurden in den Jahrzehnten nach Augustus‘ Tod zahlreiche Aus- und Umbauten vorgenommen, die immer wieder darauf abzielten, größere zusammenhängende Gebilde zu schaffen. Das berühmteste Projekt ist wohl die Domus Aurea Neros, die die kaiserlichen Besitzungen auf dem Palatin mit jenen auf dem Esquilin verbinden sollte. Aber schon Caligula soll versucht haben, dem Palast Teile der an den Palatin grenzenden Bebauung einzuverleiben.
Suet. Cal. 22 (Übers. Otto Wittstock): „Dann erweiterte er einen Teil des Palastes bis zum Forum hin, wandelte den Castor-und-Pollux-Tempel in eine Vorhalle um und ließ sich häufig, zwischen dem göttlichen Brüderpaar stehend, von den Ankommenden anbeten.“
Die Domus Augustana war allerdings keineswegs nur funktional. Sie war ebenso repräsentativ. Die kunstvolle Anlage des Gebäudes spiegelt sich auch noch in dem heutigen Befund. So wechseln sich die Aufbauten des mehrgeschossigen Gebäudes mit vertieft in den Boden eingelassenen Peristylen ab. Von oben ließ sich mithin auf den künstlerisch verzierten Innenhof blicken. Für eine möglichst intensive Wirkung spielten die Architekten mit allen Dimensionen des Raumes.
Besonderes Lob erfuhr dann aber die von Domitian angelegte Domus Flavia, die den Hügel endgültig zu einem Palastareal umformen sollte, das allen Kaisern als Residenz diente, solange Rom die Hauptstadt des Imperium Romanum blieb. Große Bewunderung spricht aus den Versen des Dichters Statius.
Stat. Silv. 4,2,18-37 (Übers. H. Wissmüller): „Ein erhabener, gewaltiger Palast nicht mit hundert Säulen ausgezeichnet, sondern mit so vielen, wie sie die Götter und den Himmel tragen könnten, wenn Atlas sich freimachte von seiner Last. Darüber staunt die benachbarte Burg des Donnergottes und die Götter in der Nähe freuen sich, daß du eine Wohnung hast, die der seinen gleich ist. Nicht brauchst du dich zu beeilen, zum großen Himmel aufzusteigen, so weit erstreckt sich das Gebäude und der Schwung des Gewölbes, als ob es frei schwebe. Viel Land erfaßt es unter seinem Dach und viel Himmel ist über ihm, nur der Herr des Palastes ist größer. Jener erfüllt das Haus und erfreut es mit seinem gewaltigen Geist. Das libysche und ilische Gebirge glänzen dort (mit ihrem Marmor) um die Wette. Viele Steine von Syene und von Chios gibt es hier und solche, die mit der grau-blauen Doris wetteifern, und Marmor aus Luna ist da, der nur die Basis bildet für die tragenden Säulen. Weit verliert sich der Blick in die Höhe. Die Augen ermüden beim Erfassen des Gewölbes, man könnte es für die vergoldete Decke des Himmels halten. Als hier der Kaiser den römischen Adel und die festlich gekleidete Ritterschar, tausend zugleich, sich an den Tischen lagern ließ, da mühten sich die hochgeschürzte Ceres selbst und Bacchus, sie zu bedienen. So großmütig glitt der Wagen des himmlischen Triptolemus dahin, so beschattete mit Weinstöcken Lyäus die kahlen Hügel und das leere Land.“
Das Stadion, das Domitian der Palastanlage hinzufügen ließ, zeigt, dass sich der Palastbezirk zunehmend nicht nur durch einen Wohn- und eine Arbeitsbereich auszeichnete, sondern darüber hinaus auch Möglichkeiten zur Zerstreuung bot. Diese mochten dem kaiserlichen Privatvergnügen ebenso zugute kommen wie auswärtigen Gesandtschaften, die hier empfangen, bewirtete und unterhalten wurden.
Rekonstruktionen der Domus Augustana können sich neben dem archäologischen Befund auch auf die Münzprägung stützen, die wie hier im Bild einer eventuell von Domitian geprägten Sesterz, die allerdings im Verdacht steht, eine Fälschung zu sein, den Kaiserpalast zeigt. Der Anspruch Roms auf Weltherrschaft musste auch durch eine entsprechende Residenz des Herrschers zum Ausdruck gebracht werden, um den Palästen, die in den Städten der östlichen Reichshälfte standen und von deren einstiger Größe zeugten, Paroli zu bieten.
Eine weitere Neuheit des Prinzipats, die auch zu einer Veränderung des Stadtbildes und vor allem des Forum Romanum führen sollte, ist die Einführung eines Herrscherkultes. Es handelt sich dabei um die gottgleiche Verehrung von verstorbenen Herrschern, für die aufgrund ihrer Leistungen für das Gemeinwesen ein Priesterkollegium sowie der Bau eines Tempels beschlossen wurde. Wenngleich nicht allen Kaisern eine solche Ehre zuteil wurde, entstanden, beginnend mit Caesar, doch eine ganze Reihe solcher Heiligtümer im Zentrum Roms.
Der erste Tempel dieser Art für den Divus Iulius, also für den vergöttlichten Caesar, lag an prominenter Stelle auf dem Forum Romanum, dem Tabularium gegenüber und in unmittelbarer Nähe des Vestatempels und der Regia.
Vom Palatin aus kann man heute auf die Überreste des Tempels für den vergöttlichten Caesar blicken, der sich als rechteckiger Bau darstellt. Der Eingangsbereich ist dem Forum Romanum zugewandt. Vor dem Tempel befand sich eine Rednertribüne, an der ebenfalls Schiffsschnäbel befestigt waren und die daher auch Rostra genannt wurde. Wenn von hier aus Reden über das Forum erklangen, blickten die Zuhörer nun aber nicht mehr auf die Institutionen der Republik, sondern auf den Tempel eines einzelnen Mannes, der zum Gott erklärt worden war.
Eine solche Rede von den sogenannten rostrae aedis divi Iulii aus bildet auch eine Münze aus hadrianischer Zeit ab. Auf dem Bild wendet sich der Kaiser vom Podium des Caesartempels an sein Volk. Die Funktion der Tempel blieb also auch weiterhin eng mit der politischen Sphäre verknüpft. Sie dienten als große Bühnen des öffentlichen Lebens und damit nicht nur als Erinnerungsort für die bedeutenden Persönlichkeiten der Vergangenheit, sondern immer auch der Selbstdarstellung der Lebenden.
Der Tempel des Divus Iulius entstand an der Stelle, an der das Volk den Leichnam Caesars nach dessen Ermordung verbrannt hatte. Als man versucht hatte, den toten Körper auf das Kapitol zu den höchsten Staatsgottheiten zubringen, hatten sich Priester der Menge erfolgreich entgegengestellt. Doch bot das Ereignis Caesars Adoptivsohn Augustus den Anlass, auf dem Forum Romanum nun eine Anlage zu errichten, die einen Wendepunkt markiert: Vom politischen Zentrum der Republik wurde das Forum nun zu einem Ort der Repräsentation des Herrschers.
Noch heute werden Blumen von Bewunderern des wohl bekanntesten aller Römer an der Stelle der Kremierung niedergelegt. Ein gewisser Personenkult lebt an der dafür vorgesehenen Stelle also weiterhin fort. Von der Verbrennung des Leichnams berichtet uns der Historiker Appian.
App. Civ. 2,148 (615-616) (Übers. Otto Veh): „[615] Und so flohen die Mörder heimlich aus der Stadt, das Volk aber kehrte zu Caesars Bahre zurück und trug sie als etwas Geweihtes aufs Kapitol, um sie in einem Tempel beizusetzen und ihr einen Platz unter den Göttern zu geben. [616] Indessen konnten die Priester es von seinem Vorhaben abbringen, und so stellte es den Toten wieder auf das Forum, wo sich der alte römische Königspalast befindet. Dann schleppte das Volk für seinen Scheiterhaufen Holzstücke und Bänke, von denen es auf dem Forum eine Menge gab, sowie alles, was es derlei dort fand, zusammen und warf den sehr kostbaren Prozessionsschmuck darauf, ja einige legten ihre Kränze und zahlreiche militärische Auszeichnungen dazu. Dann setzten sie den Scheiterhaufen in Brand, und das gesamte Volk harrte dort die ganze Nacht über aus. Zuerst errichtete man an der Stelle einen Altar, doch nun steht hier ein Tempel für Caesar selbst, da er göttlicher Ehren gewürdigt wurde.“
Der Tempel wurde auch auf Münzen abgebildet. Zu erkennen ist das Standbild Caesars, das im Tempel die Funktion der Kultstaue übernahm. Auf dem von Säulen getragenen Architrav ist die Inschrift DIVO IUL(IO) zu erkennen; der Giebel zeigt einen Stern, das sogenannte sidus Iulium: Im Jahr 44 Chr. glaubte die Bevölkerung Roms, in einem nach der Ermordung Caesars auftretenden Kometen, die Himmelfahrt des Politikers zu erkennen. Der Stern wurde so zu einem Symbol für den neuen Status Caesars als Gott.
Erneut lässt sich in der Zusammenschau unterschiedlicher Quellengattungen der Versuch einer Rekonstruktion des antiken Tempels wagen. Während sich Ausmaße, Grundriss, Material u.ä. aus den archäologischen Überresten erschließen lassen, geben die Münzbilder Aufschluss über den Schmuck, die Inschriften und teilweise die Nutzung des Gebäudes. Wenngleich keine Rekonstruktion ohne Vermutungen auskommt, lassen sich diese so zumindest auf eine nachvollziehbare Grundlage stellen.
Reste haben sich auch vom Tempel des vergöttlichten Claudius erhalten. Sie befinden sich allerdings nicht auf dem Forum, sondern etwas abseits, auf dem Caeliushügel gelegen. Hier bot sich Platz, ein Heiligtum von großen Ausmaßen zu errichten, das außer dem eigentlichen Tempel auch noch einen heiligen Bezirk umfasste.
Von der Abbildung des Tempels auf der Forma Urbis aus der Severerzeit sind immerhin Bruchstücke überliefert. Durch die erhaltenen Buchstaben lassen sich die Stücke eindeutig dem Claudiustempel zuordnen. Gemeinsam mit dem archäologischen Befund erlaubt dies eine Ergänzung der Bruchstücke, die uns einen Grundriss der Anlage liefert, in deren Mitte der eigentliche Tempel verzeichnet ist.
Heute stellt sich das Areal als Grünanlage dar und nimmt damit einen Aspekt des antiken Bauwerks wieder auf, das ja ebenfalls von einem Park umgeben war. Das Konzept war also ein anderes als beim Tempel des Divus Iulius. Nicht die Einbindung in die traditionsreiche Gebäudelandschaft des Forum bestimmte die Wirkung des Tempels; dieser lag vielmehr abseits und war in ein Ensemble integriert, das zwar keinen politischen Kontext lieferte, dafür aber die alleinige Aufmerksamkeit der Besucher garantierte.
Dass der Bau des Tempels des Divus Claudius von seiner Frau Agrippina initiiert wurde, von seinem Adoptivsohn und Nachfolger Nero jedoch abgebrochen worden sein soll, hören wir von Sueton. Ebenso erfahren wir von dem Biographen, dass es dann der Kaiser Vespasian war, der den Tempelbau vollendete und einrichtete.
Suet. Vesp. 9,1 (Übers. O. Wittstock): „Er errichtete auch neue Bauwerke, so einen Friedenstempel dicht am Forum und einen des göttlichen Claudius auf dem Caeliushügel, der zwar von Agrippina begonnen, von Nero aber beinahe bis auf die Fundamente zerstört worden war, ferner ein Amphitheater mitten in der Stadt, wie es nach seinen Informationen Augustus vorgehabt haben sollte.“
Von der Via Claudia aus gesehen, werden die Ausmaße der Anlage schlagartig deutlich, wenn wir die Substruktionen der Außenmauer betrachten. Mit dem Claudius-Tempel wurde also eine weitere öffentliche Anlage geschaffen, die auch in den Kontext einer zunehmenden Steigerung von städtischer Lebensqualität gehört. Die zahlreichen Parkanlagen, die in der späten Republik und Kaiserzeit entstanden, zeugen von dem Bestreben, die Natur in die Kulturlandschaft einer Großstadt zu integrieren.
Die nächsten beiden Kaiser, denen die Ehre der Vergöttlichung zuteil wurde, waren Vespasian und sein Sohn Titus in den Jahren 79 u. 81 n. Chr. Ihr Tempel wurde erneut auf dem Forum Romanum errichtet und direkt vor die Front des Tabulariums gebaut. Damit lag der Tempel an noch prominenterer Stelle als der Caesars, der ihm gegenüberlag. Den Standort beschreibt der Dichter Statius.
Stat. Silv. 1,1,29-31 (Übers. H. Wissmüller): „Längsseits der Flanken (des Pferdes) sieht man auf der linken Seite das julische Haus (der Tempel für den für den Divus Caesar), auf der anderen Seite das hohe Gebäude des kriegerischen Paulus, von rückwärts blicken der Vater (Vespasian) (auf die Statue) herab und ebenso Concordia mit sanftem Blick.“
Auch aus der Luft wird die zentrale Lage des Tempels deutlich. Zur erkennen sind das Tabularium im Hintergrund, der Tempel des Saturn, in dem auch der Staatsschatz aufbewahrt wurde, die Kurie und die Abdeckung des lapis niger. Der prächtige Triumphbogen stammt aus späterer Zeit und war daher zur Zeit der Errichtung des Tempels noch kein Teil des Ensembles.
Aus der Luft ist der rechteckige Grundriss des Tempels gut zu erkennen, von dem Gebäude selbst haben sich jedoch nur drei Säulen und einige Bruchstücke des Architravs und Giebels erhalten. Erneut lassen sich aus diesen Überresten allerdings Rekonstruktionen erstellen, die uns eines Vorstellung davon vermitteln welche Wirkung der Tempel in seinem baulichen Kontext entfaltete. Auch die Bauinschrift hat man rekonstruieren können. Sie lautet (CIL VI 938): [DIVO VESPASIANO AUGUSTO S(ENATUS) P(OPULUS)Q(UE) R(OMANUS) / IMP(ERATORES) CAES(ARE)S SEVERUS ET ANTONINUS PII FELIC(ES) AUG(USTI) R]ESTITUER(UNT)
In unmittelbarer Nähe zu den Überresten des Caesartempels befand sich auch der Tempel des vergöttlichten Antoninus Pius, Kaiser von 138-151 n. Chr. Der Tempel ist neben dem Kaiser selbst auch dessen bereits zuvor verstorbenen und ebenfalls vergöttlichten Frau Faustina geweiht. Davon berichten uns die spätantiken Aufzeichnungen der sogenannten Historia Augusta, eine Sammlung von Kaiserbiographien.
Hist. Aug. Pius 6,7 (Übers. Ernst Hohl): „Im dritten Jahr seiner Regierung verlor er seine Gattin Faustina, der Senat versetzte die Tote unter die Götter und weihte ihr Zirkusspiele, einen Tempel, Eigenpriesterinnen und Standbilder aus Gold und Silber; er selbst gestattete, daß ihr Bild bei sämtlichen Zirkusspielen aufgeführt wurde.“
Hist. Aug. Pius 13,3-4 (Übers. Ernst Hohl): „Vom Senat wurde er zum Gott erklärt, wobei sich sämtliche Mitglieder um die Wette beeiferten, da alle seinen frommen Sinn, seine Güte, seinen Geist und sein ganzes untadeliges Wesen priesen. Man beschloß auch sämtliche Ehren, die zuvor den besten Kaisern erweisen worden waren. (4) Er erhielt einen Eigenpriester, Zirkusspiele, einen Tempel und eine Bruderschaft der Antoninusverehrer (...).“
Heute ist eine Kirche in den antiken Bau integriert – eine Verbindung die einmal mehr auch dem Erhaltungszustand der antiken Teile zugute gekommen ist. Von den antiken Mauern, Podium, Architrav und Säulen hebt sich der Kirchenbau deutlich sichtbar ab.
Das Gebäude zeigt die typische Form vieler römischer Tempel: Ein rechteckiger Bau, dessen Front von einem säulengetragenen Pronaos gebildet wird. Die Frontseite besteht wie auch im Falle des Caesar- und Vespasiantempels aus sechs Säulen korinthischer Ordnung.
Im Falle des Tempel des Antoninus Pius und der Faustina hat sich auch die antike Inschrift vollständig erhalten. Sie bestätigt die Darstellung der schriftlichen Quellen, indem sie darauf verweist, dass der Tempel nicht nur dem Kaiser, sondern auch seiner Gattin gewidmet war und zudem auf Beschluss des Senates erbaut wurde (CIL VI 1005): DIVO ANTONINO ET DIVAE FAUSTINAE EX S(ENATUS) C(ONSULTO)
Auch diesen Tempelbau spiegelt die Münzprägung, hier noch zu Lebzeiten des Kaisers, als der Bau für dessen Frau gestiftet wurde. Zwischen den sechs Säulen der Frontseite wird in der typisch stilisierten Weise die Staue der Verstorbenen dargestellt, die als Kultbild im Allerheiligsten des Tempels fungierte. Die Aufschrift der Münze – AETERNITAS (unterhalb) und S(ENATUS) C(ONSULTO) (rechts und links) – verweist erneut auf den Kontext der Vergöttlichung sowie auf den Senatsbeschluss zum Bau des Heiligtums.
Auch das nächste große Bauprogramm, das Roms Erscheinung langfristig prägen sollte und einen wesentlichen Schritt städtischer Entwicklung darstellt, erfolgte – wie schon im Falle des Augustus – im Kontext einer Dynastiegründung. Als nach dem Tod Neros und einem neuerlichen Bürgerkrieg Vespasian aus dem bis dato eher unbedeutenden Geschlecht der Flavier den Thron für sich beanspruchen konnte, war der Sieg, den er über die aufständische Provinz Iudaea hatte erringen können, ein wichtiges Argument für seine Fähigkeiten. Nicht nur in der Münzprägung, auch in der Baupolitik der Dynastie sollte sich dieses Motiv in der folgenden Zeit manifestieren. Diese Münze zeigt das Bild des Kaisers und nennt dessen Namen und Titel auf der Vorderseite: IMP(ERATOR) CAES(AR) VESPASIAN(US) AUG(USTUS) P(ONTIFEX) M(AXIMUS) TR(IBUNICIA) P(OTESTAS) P(ATER) P(ATRIAE) CO(N)S(UL) III. Die Rückseite benennt das entscheidende Ereignis (IUDEA CAPTA) und verweist darauf, dass die Münze auf Beschluss des Senates geprägt wurde (S(ENATUS) C(ONSULTO)). Das Bild zeigt eine stehende Figur, die die siegreichen Römer symbolisiert, die Palme und die sitzende Figur stehen hingegen für die unterworfene Provinz.
Schon anhand der Münzen wird die Parallele zu Augustus deutlich. In ganz ähnlicher Weise hatte dieser Münzen anlässlich seines Sieges über Ägypten geprägt. Dabei zeigt die Vorderseite sein Profil und bezeichnet ihn als CAESAR und CO(N)S(UL) IV, um seinen politischen Status zu verdeutlichen. Die Rückseite zeigt ein Krokodil als allegorische Darstellung der Provinz, deren Unterwerfung durch den Schriftzug AEGYPTO CAPTA gefeiert wird.
Unmittelbaren Bezug auf diese Herrschaftslegitimation nimmt der Titusbogen. Der Triumphbogen (arcus) wurde zur Erinnerung an den flavischen Sieg über Judea errichtet und zeigte die zentralen Szenen aus der Prozession des Triumphzuges, in dem Vespasian und sein Sohn Titus Einzug in die Stadt hielten. Der Triumph war der Moment des größten Erfolges und lieferte das größte Prestige, das sich ein Römer erwerben konnte. Der Titusbogen verstetigte diesen Moment für die Nachwelt und diente der Erinnerung an die Legitimation der flavischen Herrschaft.
Der Titusbogen verband gewissermaßen zwei weitere Gebäude, die für die flavische Herrschaftsrepräsentation von großer Bedeutung waren und das römische Stadtbild prägen sollten, nämlich den Tempel des vergöttlichten Vespasian und des vergöttlichten Titus mit dem Kolosseum. So bildete sich im Herzen Rom eine flavische Achse, in deren Zentrum ein entscheidendes Moment der flavische Herrschaftslegitimation verbildlicht wurde.
Die Inschrift des Baus widmet den Bogen dem bereits verstorbenen und vergöttlichten Titus. Sie nennt – wie man es im Falle großer militärischer Leistungen wohl auch erwarten darf – den Senat und das ganze Volk als Stifter des Bauwerkes (CIL VI 945): SENATUS / POPULUSQUE ROMANUS / DIVO TITO DIVI VESPASIANI F(ILIO) / VESPASIANO AUGUSTO.
Die Innenseiten des Titusbogens sind durch Reliefs geschmückt, die den flavischen Triumphzug durch die Stadt Rom selbst darstellen. Die Präsentation der Beute, die ein römischer Feldherr bei seinen Siegen gemacht hatte, stellte ein wichtiges Element des Triumphes dar. In diesem Falle waren die Stücke aus dem Jerusalemer Tempel besonders emblematisch. Auf dem Relief ist besonders gut der Siebenarmige Leuchter zu erkennen, der mit anderen Gegenständen im Templum Pacis ausgestellt wurde. Die Präsentation der Reichtümer war auch deshalb von Interesse für die Bevölkerung, weil sie damit rechnen konnte, in Form von Ausstellungen, Bauwerken oder Spenden ebenfalls von diesen zu profitieren.
Eine weitere Szene aus dem Triumph zeigt uns den Triumphator Vespasian, der in einer Quadriga Einzug in die Stadt hält. Er wird von der geflügelten Siegesgöttin Victoria bekränzt. Seine beiden Söhne, Titus, der mit ihm in Iudaea gekämpft hatte, und Domitian, der gemeinsam mit dem Bruder Vespasians dessen Rückkehr nach Rom vorbereitet hatte, ritten nebeneinander hinter dem Wagen. Die bildliche Darstellung der Szene lässt sich in dieser Weise ergänzen, da wir über den schriftlichen Bericht des Zeitgenossen Flavius Iosephus verfügen.
Ios. bell. Iud. 7,4-7 (123-162) (Übers. Heinrich Clementz): "Massenhaft wurden nunmehr die Beutestücke vorbeigetragen, unter denen besonders diejenigen AUfsehen erregten, die man im Tempel zu Jerusalem genommen hatte: ein goldener Tisch im Gewicht von mehreren Talenten, und ein gleichfalls goldener Leuchter, aber von ganz anderer Gestalt, wie die sonst bei uns gebräuchlichen. Denn mitten aus dem Fussgestell erhob sich ein säulenartiger Schaft, von dem dünne, je in Form eines Dreizacks gegeneinander gestellte Äste ausliefen; an jedem der Ausläufer befand sich oben eine eherne Lampe, also sieben im ganzen, um die Heiligkeit dieser Zahl bei den Juden anzudeuten. Das Gesetz der Juden war das Beutestück, welches zuletzt zur Schau getragen wurde. Hierauf kamen noch eine Anzahl Männer mit Bildsäulen der Siegesgöttin, letztere sämtlich aus Gold und Elfenbein verfertigt. Endlich ritt dann Vespasianus selbst einher; Titus folgte ihm, und Domitianus ritt ihm zur Seite in prachtvollem Schmuck auf herrlichem Rosse."
Das Kolosseum ist das wohl berühmteste Gebäude des antiken Rom und durch sein ikonisches Aussehen so sehr Wahrzeichen der Stadt, das man leicht vergisst, dass es nicht immer da war. Doch als Bauwerk, das erst in den Jahren 80/81 n. Chr. fertiggestellt und eingeweiht wurde, haben etwa Caesar und Augustus es nie gesehen. Als einziges antikes Bauwerk hat das Kolosseum es in die Liste der modernen Sieben Weltwunder geschafft. In der Antike bildete es das Herzstück des flavischen Bauprogramms.
Die Bruchstücke der Forma Urbis sind aufgrund des vergleichsweise guten Erhaltungszustandes und der simplen, ovalen Form des Baus leicht zu einem Grundriss zu ergänzen. Verwirren könnten hingegen die Überreste der Buchstaben. Doch in der Antike wurde das Gebäude nicht als Kolosseum bezeichnet, sondern hieß schlicht amphitheatrum novum (neues Amphitheater) oder amphitheatrum Caesarum (Amphitheater der Caesaren). Erst im Mittelalter setzte sich der uns geläufige Ausdruck durch, wohl weniger wegen der Ausmaße des Baus als wegen der Kolossalstatue des Sonnengottes, die in unmittelbarer Nähe aufgestellt war.
Das Kolosseum ist so groß und so prägnant, dass es aus der Luft auch ohne großen Zoomfaktor schnell ausfindig zu machen ist. Es lag südöstlich des Forum Romanum zwischen den Hügeln Palatin und Esquilin. Auf dem Gebiet hatte der Kaiser Nero versucht, eine gewaltige Palastanlage mit Gärten und Parks zu errichten. Er wurde jedoch scharf dafür kritisiert, im Zuge einer Brandkatastrophe öffentlichen Grund für seinen privaten Bau eingezogen zu haben. Mit dem Bau des Amphitheaters überführten die Flavier dieses Gebiet wieder einem Zweck, der der breiteren Bevölkerung zugute kommen sollte. Dafür lobt auch der Dichter Martial die Flavier.
Mart. spect. 2 (Übers. Paul Barié und Winfried Schindler) „Hier, wo das Kolossalbild des Sonnengottes die Sterne aus größerer Nähe sieht und mitten auf der Straße die Baugerüste in die Höhe wachsen, strahlten zuvor die verhaßten Hallen des grausamen Regenten, und nur noch ein einziger Palast stand in der Stadt. Hier, wo der ehrwürdige Bau des eindrucksvollen Amphitheaters Sich erhebt, lagen Neros künstliche Teiche; hier, wo wir die Thermen bewundern, das rasch vollendete Geschenk, hatten die protzigen Gärten den Armen die Unterkünfte weggenommen; und wo die Claudische Kolonnade jetzt weite Schatten wirft, war der letzte Teil des endenden Palastes. Rom ist sich wiedergegeben, und unter deiner Obhut, Caesar, genießt das Volk, was zuvor der Tyrann genoß.“
Nicht zu unterschätzen ist außerdem die städtebauliche Konkurrenz, in der sich Rom – nun eindeutig die Herrscherin der Ökumene – befand. Der Bau des Kolosseums und seine Behandlung in der Dichtung zeugen so zugleich von Roms Bewusstsein für die eigene Stellung in der Welt und dem Bestreben dieser gerecht zu werden. Hiervon zeugt erneut die Lyrik Martials.
Mart. spect. 1 (Übers. Paul Barié und Winfried Schindler): „Das barbarische Memphis schweige von den Wundern der Pyramiden Mit Babylon prahle nicht assyrische Leistung: Auch lobe man nicht wegen Trivias Tempel die weichlichen Jonier; Der Altar, aus vielen Hörnern geschichtet, verleugne den Namen Delos, und das in luftigem Raume schwebende Mausoleum sollen die Karer nicht mit übermäßigem Lob zu Sternen erheben. Jegliche Leistung tritt nunmehr vor dem kaiserlichen Amphitheater zurück; Ein einziges Wer für alle nennt künftig der Ruhm.“
Der Ausdruck Amphitheater leitet sich von den griechischen Wörtern amphi und theatron ab. Gemeint ist damit die Verdopplung des typischen Theaterbaus, so dass anstelle des Halbrunds ein voller Kreis entsteht. Der Schauplatz in der Mitte wurde als (h)arena bezeichnet, dem lateinischen Wort für Sand. Die Konstruktion war so ausgefeilt, dass die ca. 50.000 Plätze umfassende cavea innerhalb von 15 Minuten vollständig gefüllt oder geleert werden konnte, weil das Gebäude über die diverse Eingänge zu betreten war, die die Besucher auf dem kürzesten Weg zu ihren Plätzen leiteten.
Während heute die aufsteigende cavea zwar noch gut erhalten, jedoch von den Sitzreihen aus Marmor befreit ist, gibt der Zustand des Bauwerkes den Blick auf das frei, was den antiken Besuchern verborgen blieb: das Hypogäum, die unterirdischen Teile der Konstruktion. Hier konnten wilde Tiere ebenso gefangen gehalten werden wie Delinquenten, die in der Arena um ihr Leben kämpfen musste. Zugleich befanden sich hier technische Apparaturen wie Hebebühnen, durch die Gladiatoren oder Wildtiere überraschen in der Manege erscheinen konnten, um den Darbietungen so ein zusätzliches Spannungsmoment zu bescheren – frei nach dem Motto: leo ex machina
Es verwundert kaum, dass anlässlich der Einweihung auch Münzen geprägt wurden, die das Kolosseum zeigen. Zu erkennen, sind die zahlreichen Arkaden der ersten drei Etagen, die dem Bau sein unverwechselbares Erscheinungsbild verleihen. Davon hebt sich die vierte Etage ab, die nicht mehr unter Vespasian, sondern erst unter seinem Sohn Titus fertig gestellt wurde. Auf dem Münzbild sind im Inneren des Baus die Menschenmassen zu erkennen, die bei allzu starker Hitze durch bunte Segel vor der Sonne geschützt wurden.
Weitere Details der Fassade sind einem Relief zu entnehmen, das das Grab der Familie der Haterii schmückte und verschiedene Bauwerke aus der Zeit der Flavier abbildet. In diesem Ausschnitt, der das Kolosseum zeigt, ist besser als auf der Münze zu erkennen, das in jedem Bogen der Arkaden Bildwerke platziert waren, die das Gebäude neben seiner praktischen Funktion zu einer Art Galerie werden ließen.
Die Bauinschrift des Amphitheaters war ursprünglich in goldenen Buchstaben an dem Gebäude angebracht, lässt sich aber auch nach dem Verschwinden der Lettern durch Spuren ihrer Anbringung erschließen. Sie verweist noch einmal auf das Ereignis, das den Bau des Monuments überhaupt erst ermöglichte, indem auf die Beute als Grundlage der Finanzierung verwiesen wird (CIL VI, 40454a2): IMP(ERATOR) CAES(AR) VESPASIANUS AUG(USTUS) AMPHITHEATRUM NOVUM EX MANUBIS FIERI IUSSIT. Auch in dieser Hinsicht stellte Vespasian sein Bauprogramm also in die Tradition des Augustus und früherer römischer Feldherren.
Das Templum Pacis, in der Spätantike auch Forum Pacis (Friedensforum) genannt, war nach den Foren, die Caesar und Augustus errichtet hatten, die dritte Platzanlage dieser Art. Errichtet wurde es von Vespasian, der die Dynastie der Flavier begründete. Einmal mehr wurde der Beginn einer neuen Herrschaft, einer neuen Epoche also mit dem Bau eines Forums eingeläutet. Da das Areal des Templum Pacis heute vollständig überbaut ist, liefern die Bruchstücke der Forma Urbis hier besonders wertvolle Erkenntnisse für die Rekonstruktion.
Aus den Bruchstücken des Marmorplans lässt sich der Grundriss des Platzes rekonstruieren, an dem die Beutestücke, die die Flavier bei ihrem Triumph nach Rom gebracht hatten, nebst anderen Kunstwerken ausgestellt wurden. Das öffentliche Leben in Rom bekam so ein weiteres Zentrum, dessen repräsentativer Aspekt ganz auf die neue Dynastie zugeschnitten war. Von dem Naturforscher Plinius hören wir ein Lob, das das Bauwerk den schönsten Roms an die Seite stellt.
Plin. nat. 36,24 (103) (Übers. Roderich König): „Müssen wir dann nicht unter den großartigen Bauwerken die durch ihre phrygischen Säulen bewundernswerte Basilika des Paulus anführen, das Forum des vergöttlichten Augustus und den Tempel des Friedens des Kaisers Vespasianus Augustus, die schönsten Werke Werke, welche die Welt je gesehen hat?“
Plin. nat. 34,19 (84) (Übers. Roderich König): „Von allen Werken, über die ich berichtete habe, sind die berühmtesten bereits in Rom von Kaiser Vespasian im Tempel des Friedens und in anderen von ihm errichteten Gebäuden geweiht worden; die Gewalttätigkeit Neros hatte sie in der Stadt zusammengetragen und auf dem Prunkzimmer seiner Domus Aurea verteilt.“
Das Templum Pacis wurde auch als Aufbewahrungsort für die repräsentativsten Beutestücke aus dem jüdischen Krieg genutzt und war somit gewissermaßen ein Museum der flavischen Leistungsfähigkeit und Herrschaftsbefähigung.
Das Kapitol erfuhr im Laufe der Zeit zahlreiche Renovierungen, z.B. im 1. Jh. n. Chr., nachdem der Tempel in den Wirren der Bürgerkriege ein Raub der Flammen geworden war. Eine Münzprägung auf Beschluss des Senates (S(ENATUS) C(ONSULTO)) ehrt den Kaiser Vespasian für diese Leistung. Die Vorderseite zeigt den Kaiser und nennt seine Titel. Die Rückseite zeigt den Tempel mit den typischen drei cellae für die Kultbildern der Kapitolinischen Trias. Sechs, als korinthisch zu erkennende Säulen tragen an dessen Frontseite den Giebel des Pronaos, der durch einen Fries geschmückt ist.
Das Marsfeld erfuhr unter dem Kaiser Domitian (81-96 n. Chr.) einen zweiten großen Bauschub. Anlass bot ein Brand, der große Teile des Gebietes in Mitleidenschaft gezogen hatte. Domitian nutzte diese Gelegenheit, um nicht nur die Schäden zu beseitigen, sondern die noch lückenhafte Gebäudelandschaft des Feldes zu ergänzen und zu strukturieren. Neben dem markanten Stadion und Odeion im Westen des Areals ist besonders das hier markierte Ensemble dreier Heiligtümer bemerkenswert. Wie im Bereich des Forum Romanum wurde auch auf dem Marsfeld nun eine städtische Lebenswelt geschaffen, die sich mit denen anderer Metropolen messen konnte.
Wegen der dichten Bebauung, die das Marsfeld heute auszeichnet, sind die Reste der Forma Urbis besonders aufschlussreich hinsichtlich der antiken Ausgestaltung der Bauflächen. Ergänzt werden sie erneut um die schriftlichen Quellen, die wie ein Inventar der kaiserlichen Baupolitik fungieren, so z.B. Suetons Biographie über Domitian.
Suet. Dom. 5 (Übers. Otto Wittstock): „Eine große Zahl überaus gewaltiger, durch Feuer vernichteter Bauwerke stellte er wieder her, darunter auch das Kapitol, das abermals abgebrannt war, aber dies lediglich unter seinem Namen und ohne irgendwelche Erwähnung des früheren Erbauers. Neu errichtete er den Tempel auf dem Kapitol für den Bewachenden Jupiter und ein Forum, das jetzt Nervaforum heißt, desgleichen einen Tempel des flavischen Geschlechts, ein Stadion, eine Halle für musische Darbietungen und eine Naumachie, aus deren Steinen später der Circus Maximus gebaut wurde, da dessen beiden Seiten abgebrannt waren.“
Die Bruchstücke des antiken Stadtplans lassen eine Reihe von Gebäuden erkennen, deren Lage sorgfältig aufeinander abgestimmt zu sein scheint. Vor allem waren es Tempel und Bauten für öffentliche Schauspiele, die Domitian hier errichtete. Sie ergänzen das Bauprogramm des Agrippa, das mit dem Pantheon und den Thermen durchaus ähnliche Aspekte des öffentlichen Lebens bedient hatte. Mit der sogenannten Porticus Divorum, die voneinander getrennte Tempel für Vespasian und Titus, den Vater und Bruder des Bauherren beinhaltete, fand allerdings auch hier die flavische Herrschaftsrepräsentation Eingang in das Stadtbild.
Ein weiterer kultischer Bau, der mit der flavischen Geschichte in Verbindung steht, ist das Heiligtum für Isis und Serapis. Die beiden ägyptischen Götter wurden hier in voneinander getrennten Tempeln verehrt. An diesem Ort hatten Vespasian und Titus die Nacht verbracht, bevor sie am Tage ihres Triumphes in die Stadt einzogen. Die Anlage ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Erweiterung des römischen Reiches auch die Einflüsse fremder Kulturen im römischen Stadtbild sichtbar werden ließ. Dadurch, dass Vespasian seine Herrschaft aus dem Osten des Reiches kommend errungen hatte, erfuhr diese Entwicklung unter den Flaviern eine gewisse Konjunktur. Auch das Grabrelief der vornehmen Haterii zeigt einen Teil der Anlage, nämlich den sogenannten Arcus ad Isis, der wohl als Eingang zu der Anlage fungierte.
Der Grundriss zeigt die Anlage, die von zwei Seiten her zu betreten war, als in sich geschlossenen Komplex. An den gegenüberliegenden Enden lagen die Tempel für die Gottheiten, die so klar aufeinander bezogen waren. Mit Hilfe des Gottes Serapis hatte Vespasian in Alexandria angeblich Wunderheilungen vollzogen, während Domitian in den Wirren des Bürgerkrieges einmal nur deshalb überlebt haben soll, indem er sich als Priester der Isis tarnte. Die Anlage war daher auch Ausdruck der Bedeutung, die Domitian den ägyptischen Göttern für die Herrschaft seiner Familie und seiner selbst beimaß.
Jenseits eines Grundrisses lässt sich das Aussehen des Tempels in der Zeit Vespasians aus der Münzprägung erschließen Die Aufschrift S(ENATUS) C(ONSULTO) zeigt, dass die Prägung anlässlich des Wiederaufbaus des Heiligtums vom Senat in Auftrag gegeben worden war. Die Darstellung ist äußerst detailreich: zu erkennen ist der Tempel mit vier Säulen an der Frontseite und dem Kultbild in der cella, das eine Opferschale (patera) in der Hand hält. Die Münze ist so kunstvoll geprägt, dass sich durch die Tiefenwirkung auch Pronaos und der eigentliche Tempel voneinander abheben. Das Dach erscheint als Kuppel gestaltet und wird von der Darstellung der Göttin geziert, die auf einem Hund, dem ihr heiligen Tier, reitet.
In der Darstellung des Münzbildes flankieren rechts und links des Eingangs ägyptische Statuen den Tempel. Sphingen und Obelisken säumten die Prozessionsstraße, die von dem wohl überdachten Hof zum Heiligtum der Isis führte. Auf der anderen Seite des Komplexes, im Bereich des Serapeums, war wohl auch eine personifizierte Darstellung des Nils Teil der Ausstattung. Die Vielfalt des römischen Reiches spiegelte sich hier in der Lebenswelt der Hauptstadt.
Auch das Serapeum ist uns aus der Münzprägung domitianischer Zeit bekannt. In der Darstellung des Heiligtums, die der typischen Form für die Münzprägung folgt und die Aufschrift IMP(ERATOR) CAES(AR) trägt, ist vor allem die Darstellung des Kultbildes interessant. Sie zeigt den Gott in einem typischen ägyptischen Gewand, dem Polos, und mit einem Tier zu seinen Füßen, nämlich dem dreiköpfigen Hund Cerberus aus der Unterwelt. Das Bildnis scheint also eine Nachbildung der Statue des Gottes zu sein, die der berühmte Bildhauer Bryaxis angefertigt hatte.
Die gleiche Aufschrift (IMP(ERATOR) CAES(AR)) trägt auch eine weitere Münze, die einen Tempel, genauer gesagt einen Rundtempel darstellt. Die Kultstatue ist an ihrem Helm als Minerva zu erkennen. Wenngleich der Dichter Martial den Tempel nur beiläufig und als Bühne für eine seiner Anekdoten verwendet, so zeigen seine Verse doch immerhin, dass das Marsfeld und seine Bauten in der Kaiserzeit gut besucht waren.
Mart. 4,53 (Übers. Paul Barié / Winfried Schindler) „Den Alten da, den du, Cosmus, oft im Heiligtum unserer Pallas siehst Und an der Schwelle des neu erbauten Tempels, mit Stock und Ranzen, dem grau und verwahrlost die Haare stehn, dem auf die Brust ein schmutziger Bart fällt, den ein vergilbter Mantel, die ‚Braut‘ seiner nackten Pritsche, bedeckt und dem unterwegs die Leute Brot reichen, um das er sie anbellt – hereingefallen auf die Erscheinung, die er vortäuscht, hältst du ihn für einen Kyniker. Doch Kyniker ist er nicht, Cosmus. „Was dann?“ Ein Hund.“
Der Minervatempel ist Ausdruck einer religiösen Vorliebe des Kaisers Domitian. Eine weitere Münzprägung zeigt ihn beim Opfer für die Göttin. Eindeutig zu erkennen ist dies an dem verhüllten Haupt (capite velato) sowie an der Opferschale (patera) die der Kaiser, dem Kultbild gegenüberstehend, gerade über dem Altar ausleert. Die Szene spielte sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in dem Tempel der Minerva, sondern vor einem Schrein in den Gemächern des Kaisers ab. Der Tempel ist allerdings ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie die persönlichen Vorlieben einzelner Personen Einfluss auf das Erscheinungsbild und die Lebenswelt einer Stadt ausüben können.
Zu den Bauten, die Domitian zu Unterhaltungszwecken auf dem Marsfeld errichten ließ, zählt eines, das auch das heutige Stadtbild noch entscheidend prägt. Die Form des Baus ist in etwa identisch mit der heutigen Piazza Navona, durch deren Umrisse sich auch sein Zweck erahnen lässt: Es handelte sich um ein Stadion.
Die Form der Piazza Navona erinnert aus der Luft an ein langgezogenes Theater und entspricht damit der Form eines Zirkus. Da der Bau eines Zirkus an dieser Stelle für Domitian nicht überliefert ist, dürfen wir davon ausgehen, dass es sich um das von Sueton erwähnte Stadion handelte. Es entspricht zudem Domitians Vorliebe für athletische Wettkämpfe – schließlich hatte der Kaiser auch dem Palast auf dem Palatin ein Stadion hinzugefügt.
Auf der Piazza steht ein weiterer großer Obelisk, der ursprünglich Teil des Heiligtums der Isis und der Serapis war und in der Spätantike die Spina des Circus Maximus zierte.
Dass der Obelisk ursprünglich nicht zu dem Ensemble gehörte, das keine Spina hatte und damit tatsächlich ein Stadion und kein Zirkus gewesen sein muss, entnehmen wir der Münzprägung der Severerzeit. Die Aufschrift der Vorderseite lautet: SEVERUS PIUS AUG(USTUS)). Der Kaiser gab wohl anlässlich einer Renovierung diese Münze heraus, die das Gebäude ohne die für einen Zirkus typischen Aufbauten in der Mitte der Arena zeigte. Die Aufschrift der Rückseite (P(ATER) P(ATRIAE) und CO(N)S(UL) III) nennen außerdem zwei der wichtigen Titel, die die römischen Kaiser üblicherweise trugen.
An der Rundung des Stadions sind einige Überreste der Mauern und Bögen des Stadions freigelegt worden, die hier eingesehen und nach vorheriger Anmeldung auch unterirdisch näher besichtigt werden können.
Die Bauten des Kaisers Domitian auf dem Marsfeld gehören zu jenen, die sich zwar nicht als beeindruckende Ruinen erhalten haben, jedoch durch ihre Form noch heute das Stadtbild Roms prägen. Dies trifft auch auf das hier eingezeichnete Odeion zu, das den Umrissen nach einem Theater entspricht, im Gegensatz zu diesem aber wohl überdacht war und vorrangig der Aufführung musikalischer Darbietungen diente. Die nördlich des Odeions gelegene Piazza Navona entspricht der Form nach ebenfalls einem Bauwerk Domitians, nämlich dem Stadion. Das Areal in unmittelbarer Nähe zum Pantheon wurde also in den Dienst musischer und athletischer Darbietungen gestellt.
Die antiken Hinterlassenschaften des Odeions sind spärlich und nicht einfach zu finden. An der Piazza dei Massimi hat sich lediglich eine einzelne Säule des Baus erhalten, die nur zu Gesicht bekommt, wer die Hauptstraße verlässt und sich in das ehemalige Innere des Bauwerkes begibt.
Von der Hauptstraße aus ist jedoch die prägnante, durch den antiken Bau geprägte Form des Häuserblocks erkennbar. Dass die Häuserfront an dieser Stelle dem Bogen des antiken Odeions folgt, ist schon in der Frontalansicht zu erahnen, wird aus einem anderen Winkel jedoch vollends sichtbar.
Einen weiteren Bauschub erfuhr das politische Zentrum Roms nach dem Ende der flavischen Dynastie, als mit Nerva und Trajan die beiden ersten der sogenannten Adoptivkaiser regierten. Beide errichteten respektive vollendeten Platzanlagen, die sich an die Foren von Caesar, Augustus und Vespasian anschlossen und diese verbanden. Damit griffen sie die mittlerweile traditionelle Praktik auf, eine neue Herrschaft mit dem Bau eines neuen Forums zu verbinden. Das Zentrum Roms war nun eine zusammenhängende Innenstadt, die die spezifischen Bedürfnisse des öffentlichen Lebens in der Hauptstadt eines Weltreiches befriedigte.
Der Bau des Nervaforums war bereits von Domitian initiiert worden und wurde von dessen Nachfolger lediglich vollendet. Auch deshalb, vor allem aber wegen seiner Lage zwischen den Foren Caesars und Augustus‘ auf der einen und dem Templum Pacis Vespasians auf der anderen Seite, wird es häufiger als Forum Transitorium (Durchgangsforum) bezeichnet. Aus der Luft ist der erhaltene Teil des Forums zu erkennen, der sich direkt an die südöstliche Apsis des Augustusforums schmiegt.
In der Antike schloss an eben dieser Stelle, an die Mauern des Augustusforums grenzend, ein Tempel für die Göttin Minerva die Platzanlage im Nordosten ab. Obwohl der Bau mit den persönlichen Vorlieben und der Selbstdarstellung des weithin verhassten Kaisers Domitian eng verbunden war und insofern die Funktion des Venustempels auf dem Caesarforum und des Marstempels auf dem Augustusforum spiegelt, war der Bau wegen der zentralen Rolle der Minerva für den römischen Staatskult langfristig unproblematisch.
Auch auf der Südwestseite, also dort wo es an das Caesarforum grenzt, wurde das Forum von einem Tempel abgeschlossen, dessen Fundamente uns erhalten sind. Dieser war dem Gott Ianus gewidmet und wird von dem Dichter Martial beschrieben, der dabei auch die Hoffnung zum Ausdruck bringt, das Geschenk für den Gott möge dem Reich dauerhaften Frieden bringen, wofür die geschlossenen Tore des Ianustempels ein altes Symbol waren.
Mart. 10,28 (Übers. Paul Barié und Winfried Schindler): „Herrlicher Schöpfer der Jahre und des schimmernden Weltalls, den als ersten die öffentlichen Gelübde und Gebete anrufen, früher bewohntest du ein winziges Haus mit offener Passage, wo Roms Bewohner in großer Zahl ständig mittenhindurch zogen. Jetzt ist deine Schwelle von Caesars (Nerva) Gaben umschlossen, und du zählst, Janus, so viele Foren wie du Gesichter hast. Doch als Dank für ein so großzügiges Geschenk schütze, heiliger Vater du, deine eisernen Tore mit einem Riegel für immer.“
Auf dem Platz haben sich Teile des exquisiten Marmorbodens erhalten, auf dem die Besucher Platzanlage in der Antike flanierten. Sie schritten auf den teuersten Baustoffen, die aus allen Teilen des Reiches importiert wurden und durften sich dabei als die Herren der Welt fühlen, die diese Schätze zu ihrem Genuss hervorbrachte. Die erhaltenen Aufbauten hingegen stammen nicht aus antiker, sondern mittelalterlicher Zeit.
Gut zu erkennen ist aus der Luft zudem der Unterschied zwischen dem antiken und dem modernen Bodenniveau, das die Foren heute fälschlicher Weise als in den Boden eingelassen erscheinen lässt. Auf der rechten Seite des Bildes ist zudem zu erkennen, dass sich ein kleiner Teil der Außenmauer erhalten hat, die das Nervaforum vom Templum Pacis abgrenzte und es mit diesem mithilfe von Durchgängen zugleich verband.
Da das Nervaforum auf besonders engem Raum erbaut werden musste, verzichte man auf die Säulenhallen (porticus), die die Kaiserforen üblicherweise umgaben. Man begnügte sich damit, in regelmäßigen Abständen Säulen unmittelbar vor der Umfassungsmauer zu platzieren. Erhalten haben sich lediglich zwei dieser Säulen, das sogenannte Colonacce. Das Relief der Attika zeigt die Göttin Minerva, deren Tempel den Platz dominierte.
Reste des Dekors, der einst das Forum Nervas schmückte, sind heute im Museo dei Fori imperiali in den Trajansmärkten ausgestellt und legen ein weiteres Mal Zeugnis davon ab, mit welcher künstlerischen Raffinesse, die Platzanlagen in Zentren des städtischen Lebens verwandelt wurden, das praktische Erfordernisse und sinnlichen Eindrücke auf das engste miteinander verschmolz.
Das letzte der fünf Kaiserforen war zugleich das größte und spiegelt damit auch den Höhepunkt der römischen Macht. Unter dem Kaiser Trajan, der auf die kurze, nur zwei Jahre währende Herrschaft Nervas folgte, erreichte das römische Reich seine größte Ausdehnung.
Aur. Vict. Caes. 13,5 (Übers. Kirsten Groß-Albenhausen / Manfred Fuhrmann): „Zudem hat Trajan in Rom von Domitian begonnene Bauten, ein Forum und vieles andere, mehr als großzügig gefördert und ausgestattet und für einen stetigen Getreidepreis traf er wunderbar Vorsorge, indem er als feste Einrichtung die Genossenschaft der Bäcker stiftete.“
Große Teile des Forums sind heute freigelegt wie bspw. die große Exedra im Norden der Anlage. Der Bau einer Multifunktionsanlage solcher Ausmaße verschlang gewaltige finanzielle Ressourcen. Die antike Geschichtsschreibung lobte Trajan anhand der Aufwendungen für das Forum denn auch für seine Großzügigkeit.
Tatsächlich hatte Trajan keine Kosten und Mühen gescheut. Davon zeugt nicht nur der heute noch erhaltene Fußboden des Forums aus edlem Marmor, sondern auch die Beauftragung des griechischen Architekten Apollodoros, wie uns der ebenfalls aus Griechenland stammende Senator und Geschichtsschreiber Cassius Dio wissen lässt.
Cass. Dio 69,4,1 (Übers. Ottoh Veh): „Den Architekten Apollodorus hingegen, der Trajans verschiedene Bauwerke, das Forum, das Odeon und das Gymnasium, in Rom ausgeführt hatte, schickte er zunächst in die Verbannung Verbannung und ließ ihn später sogar hinrichten.“
Vor den Apsiden verliefen die Säulenhallen, die den zentralen Platz der Anlage einrahmten und die Anlage so in verschiedene Bereiche unterteilten. Wie die Umfassungsmauern sorgten sie dafür, dass es sich bei dem Trajansforum um einen klar strukturierten Raum handelte, der einzelnen Bereichen unterschiedliche Funktionen zuwies.
Fragmentarisch ist auch der Teil des Marmorstadtplans, der sogenannten Forma Urbis, erhalten, der die Basilika des Trajanforums zeigt. Während die Apsiden nicht erhalten sind, zeigt der Ausschnitt einen Teil der Säulen, die das Bauwerk trugen und verzeichnet seinen Namen.
Eine ganze Reihe von Elementen des Forums sind uns auch durch die Münzprägung überliefert. Hier sehen wir auf der Vorderseite das Profil des Bauherren, das von dessen imperialer Titulatur umschrieben ist. Die Rückseite zeigt über dem Schriftzug FORUM TRAIANUM den sogenannten Arcus Traianus, ein Bogenmonument, das als Eingang zu der Platzanlage fungierte.
Eine Münze zeigt das Monument, das die Anlage des Traianforums dominierte. Es handelt sich in diesem Falle nicht um einen Tempel, sondern um eine Basilika, die auf der Münze als Basilica Ulpia bezeichnet wird und mithin nach dem Familiennamen des Kaisers benannt war.
Aus der Luft zeigt sich das der heute erhaltene Teil der Basilica Ulpia in etwa den Bruchstücken der Forma Urbis entspricht. In dieser 2D-Satellitenansicht erscheinen die Säulen des mächtigen Baus wie auf dem Marmorplan oder einem modernen archäologischen Grundriss als einzelne Punkte.
Schon die Überreste der Säulen aus Granit wissen zu beeindrucken, doch in der Antike war es ein anderes Element der Konstruktion, die vor allen anderen das Staunen des Betrachters erregte: das bronzene Dach der Basilika, das auch der Grieche Pausanias bewunderte.
Paus. 5,12,6 (Übers. Ernst Meyer): „Dieser Kaiser gewann die Geten über Thrakien dem Reich hinzu und führte mit Osroes, dem Nachkommen des Arsakes, und den Parthern Krieg. Von den Bauten, die er hat herstellen lassen, sind das bemerkenswerteste die nach ihm genannten Bäder und ein großes ringsum rundes Theater und ein Gebäude für Pferderennen volle zwei Stadien lang und das römische Forum, das wegen seiner sonstigen Ausstattung sehenswert ist und besonders wegen des Bronzedaches.“
Hinter der Basilika erhob sich zudem die Trajanssäule, die eines der besterhaltenen Monumente Roms und heute sicherlich das spektakulärste auf dem Forum Trajans ist. Dass die Säule hinter der Basilika auf dem kleinen Platz stand, der das Forum abschloss, liefert im Übrigen auch eine Erklärung für ihre Höhe. Schon der griechische Senator Cassius Dio zeigte sich von ihr beeindruckt.
Cass. Dio 68,16,3 (Übers. Otto Veh): „Er schuf auch Bibliotheken (112 n. Chr.). Und auf dem Forum errichtete er eine Riesensäule, die zugleich als Grabmal für ihn wie auch zum Gedenken an seine Leistung auf diesem Platz dienen sollte. Jener ganze Raum war nämlich hügelig gewesen, und er hatte ihn entsprechend der Säulenhöhe abtragen lassen, wodurch er das Forum zu einer ebenen Fläche machte.“
Noch heute erhebt sich die Trajanssäule hinter den erhaltenen Säulen der Basilica Ulpia, die im Vergleich zu ihr geradezu zierlich wirken.
Die Säule beeindruckt aber nicht nur durch ihre schiere Größe, sondern auch durch ihren feingearbeiteten Fries, der sich spiralförmig von der Basis bis zur Spitze der Säule zog, auf der eine Staue des Kaisers thronte, die im Mittelalter eingeschmolzen und später durch ein Standbild des Petrus ersetzt wurde. Der Fries liefert entscheidende Aufschlüsse über das repräsentative Programm der Platzanlage. Die Stiftungsinschrift an der Säulenbasis bestätigt den von Cassius Dio genannten Zweck des Monuments. CIL VI 960: SENATUS POPULUSQUE ROAMNUS / IMP(ERATORI) CAESARI DIVI NERVAE F(ILIO) NERVAE / TRAIANO AUG(USTO) GERM(ANICO) DACICO PONTIF(ICI) /MAXIMO TRIB(UNICIA) POT(ESTASTE) XVII IMP(ERATORI) VI CO(N)S(ULI) VI P(ATRI) P(ATRIAE) / AD DECLARANDUM QUANTAE ALTITUDINIS / MONS ET LOCUS TANTIS OPERIBUS SIT EGESTUS
Der Fries zeigt eine ganze Reihe von Szenen aus den Dakerkriegen, die zu den großen militärischen Siegen Trajans zählen und das Reich über die Donau hinaus erweiterten. Die Daker galten den Römern zwar als Barbaren, doch verfügten sie über Goldminen. Der wirtschaftliche Nutzen dieses Feldzuges ließ ihn als eine besonders geeignete Legitimation für die Herrschaft des Kaisers erscheinen. Wie schon die Flavier zuvor nutze auch Trajan den Bau seines Forums also, um seine Leistungen für das römische Gemeinwesen im Erscheinungsbild der Stadt sichtbar zu machen.
Es verwundert daher nicht, dass auch die Trajanssäule ein Motiv der Münzprägung wurde). Hier zu sehen ist eine Goldmünze (Aureus), die auf der Rückseite (Revers) das Monument mit Sockel und Statue zeigt. Die Aufschrift S(ENATUS) P(OPULUS)Q(UE) R(OMANUS) OPTIMO PRINCIPI verweist darauf, dass die Münze nicht von, sondern für den Kaiser geprägt wurde, und zwar auf Beschluss von Volk und Senat.
Eines der Monumente, das den Kaiser auf seinem Forum ehrte, ist uns sogar nur durch die Münzprägung erhalten. Es handelt sich um das Reiterstandbild des Kaisers, das noch in der Spätantike Bewunderung hervorrief. Als Rom seinen Status als Residenz des Kaisers verloren hatte, besuchten diese die Stadt als Touristen und staunten über die baulichen Leistungen ihrer Vorgänger. So berichtet es der spätantike Historiograph über den Kaiser Constantius II.
Amm. 16,10,15-16 (Übers. Otto Veh): „Als jedoch der Kaiser [sc. Constantius II] auf das Trajansforum kam, dieses einzigartige Bauwerk unter dem weiten Himmel, das unserer Auffassung nach selbst die Götter als Wunder gelten lassen müssen, war er starr vor Staunen und ließ seine Gedanken um die riesenhaften Baukörper schweifen, die sich nicht schildern lassen und auch niemals wieder von Sterblichen erreicht werden können. So gab denn Constantius alle Hoffnung auf, je etwas ähnliches Schaffen zu können, lediglich das Pferd Trajans, das mitten im Atrium steht und den Kaiser selbst trägt, wollte er, wie er sagte, nachbilden und fühlte sich auch dazu imstande. Der königliche Prinz Hormisdas indessen, der neben ihm stand – wir berichteten schon oben von seiner Flucht aus Persien –, antwortete dem Herrscher mit angeborener Schlauheit: „Laß dir doch zuvor, mein Kaiser, wenn du es vermagst, einen entsprechenden Stall bauen; das Pferd, das du dir anfertigen willst, soll ja so weit ausgreifen können wie dieses da, das wir hier sehen!“ Derselbe Prinz erwiderte auf die Frage, was er denn von Rom halte: „Mir hat lediglich das gefallen, daß meiner Beobachtung nach auch hier die Menschen sterben müssen.“
Erhalten sind uns hingegen die sogenannten Trajansmärkte. Der halbrunde Bau fasste die nördliche Exedra des Forums ein und schloss es in diese Richtung ab. Dabei geht man heute allgemein davon aus, dass der Bau nicht allein für Marktgeschäfte und Handel genutzt wurde, sondern einen multifunktionalen Komplex bildete, indem etwa auch Räume für Veraltungsaufgaben untergebracht waren.
Der Bau, der einer der wenigen ist, die mehrgeschossig erhalten sind, bezieht seine Wirkung auf den Betrachter auch durch die leuchtend roten Backsteine, die zu seiner Errichtung verwendet wurden. Da hierfür gewaltige Mengen an Erdreich bewegt werden mussten und diesen Maßnahmen auch viele Geschäfte zum Opfer fielen, die sich zuvor an der Stelle befunden hatten, bestanden insbesondere die beiden unteren Geschosse wohl vor allem aus Tabernen. Diese öffneten sich zum Forum hin und heben sich deutlich von der roten Fassade ab.
Insgesamt verfügte der Bau über sechs Stockwerke und nutzte dabei auch seine Lage am Hang des Quirinal.
Bei den Arbeiten, die das Gelände bebaubar machten, wurde auch eine Straße angelegt, die den Hügel hinaufführte und so die oberen Etagen leicht erreichbar machte: die Via Biberatica.
Bei einem Spaziergang durch die Gasse benötigt der Besucher keine aufwändig animierte Augmented Reality. Hier ist das antike Erbe so gut konserviert, das die „Zeitreise“ nicht viel Phantasie bedarf.
Bogen und Gewölbetechniken sowie eine Weiterentwicklung der Baumaterialen, etwa die Nutzung von opus caementicium, einer betonartigen Substanz, erweiterten die baulichen Möglichkeiten und waren die Voraussetzungen für die großen überdachten Bauten wie die Basiliken. Auch die sogenannte großen Aula der Trajansmärkte beeindruckt durch ihr Deckengewölbe.
Die Räumlichkeiten der Trajansmärkte werden heute als Museo dei Fori Imperiali genutzt. In ihnen werden vor allem Überreste des Dekors anderer Kaiserforen ausgestellt, die so besser gegen Verwitterung und Verfall geschützt werden können als an ihrem ursprünglichen Standort. Hier zu sehen sind einige Bruchstücke des Mars Ultor Tempels.
Kaum ein anderer Gebäudetyp ist für die Lebenswelt des kaiserzeitlichen Rom so charakteristisch wie die großen Thermen. Sie beeindruckten die antiken Besucher durch ihre technischen Raffinessen und prägten das Stadtbild durch ihre gigantischen Ausmaße. Bevor das Bad am Nachmittag jedoch zum Ausdruck einer typisch römischen und städtischen Lebensweise wurde, wurden die Bäder oft in einem Zusammenhang mit dem griechischen Gymnasium gestellt, so wie es laut Sueton auch der Kaiser Nero tat, der als erster nach Agrippa ein großes öffentliches Bad in Rom errichtete.
Suet. Nero 12,3 (Übers. Otto Wittstock): „Als erster richtete er in Rom einen alle fünf Jahre stattfindenden dreifachen Wettkampf nach griechischer Art ein, einen musischen, sportlichen und Reiterwettkampf, und nannte ihn Nerowettkampf. Nach der Weihe der Thermen und des Gymnasiums reichte er auch Senatoren und Rittern Salböl.“
Von den Nerothermen, die nahe der Agrippa-Thermen auf dem Marsfeld errichtet wurden, sind heute nur noch zwei Säulen auf einem Parkplatz an der Via di Sant Eustachio erhalten. Die Thermen erfreuten sich in der Kaiserzeit wegen ihrer luxuriösen Ausstattung, dem sinnlichen Vergnügen und dem freien Eintritt größter Beliebtheit. Martial brachte diesen Umstand prägnant auf den Punkt, indem er das Bauwerk dem Charakter des Bauherren gegenüberstellte.
Mart. 7,34, 4-5 (Übers. Paul Barié und Winfried Schindler) „Was gibt’s Schlimmeres als Nero? Was gibt’s Besseres als Neros Thermen?“
Große Becken (lavacra), aus denen die Römer Wasser schöpfen konnten, dienten in den Thermen der Körperpflege. Ein solches hat sich auch aus den Nerothermen erhalten und findet heute als Brunnen Verwendung. Doch beschränkten sich die Bäder keineswegs auf die Funktion der Körperpflege. Als beheizte Gebäude boten sie ganzjährig einen geschützten Raum, an dem sich die Römer stundenlang aufhielten, und wurden so zu einem Knotenpunkt des öffentlichen Lebens.
Nachdem die ersten Thermenanlagen auf dem Marsfeld entstanden waren, bestand in anderen Teilen der Stadt zunächst ein Mangel an ähnlichen Einrichtungen. Seit den späten 70er Jahren sollte dieser Missstand sukzessive beseitigt werden. In unmittelbarer Nähe zum Kolosseum entstanden zunächst die Thermen des Titus als Teil des flavischen Bauprogramms und die auf dem Stadtplan verzeichneten Thermen Trajans.
Von den Titusthermen ist im heutigen Stadtbild kaum noch Spuren erhalten. Sie gehörten zu jenem Teil des flavischen Bauprogramms, durch das solche Teile der Stadt, die von Neros Palast vereinnahmt worden waren, ostentativ der Allgemeinheit wiedergegeben werden sollten. Die Thermen, die in der Lage waren, größere Menschenmengen zu fassen und allen Bürgern der Stadt eintrittsfrei offen standen, fügten sich Ideal in dieses Programm.
Der Vergleich mit den später erbauten Trajansthermen, die der Prototyp der großen Bäder des kaiserzeitlichen Rom werden sollten, macht deutlich, dass die Titusthermen von deutlich kleineren Ausmaßen waren. Sie nehmen allerdings bereits den symmetrischen Aufbau mit einer Mittelachse, die von den für den Badevorgang entscheidenden Räumen gebildet wurde, vorweg. Architekturgeschichtlich spricht man daher auch vom kleinen und großen Kaisertypus.
Das Areal in unmittelbarer Nähe zum Kolosseum ist heute nicht bebaut, so dass die erhaltenen Überreste der Thermen leicht zugänglich sind. Der Blick von oben erlaubt so auch eine Einschätzung der Fläche, die die Thermen einnahmen. Die großen Kaiserthermen bestanden aus dem eigentlichen Badehaus, um das herum ein durch Mauern klar abgegrenzter Bezirk entstand. Das Gelände bot den Besuchern über das Bad hinaus eine Reihe von Verpflegungs- und Unterhaltungsmöglichkeiten, die zu einem längeren Verweilen in dem Komplex einluden.
Aus der Luft sind insbesondere die Apsiden der Umfassungsmauern auszumachen. Mit ihrer Hilfe lässt sich der Grundriss des Areals leicht vervollständigen.
In den kleineren Apsiden konnte Ladengeschäfte und Schankstuben untergebracht sein. Die Thermenkomplexe beinhalteten teilweise auch Bibliotheken. Sie boten Gelegenheit, Spaziergänge durch die Grünanlagen zu unternehmen. Trotz solcher Möglichkeiten, die die Thermen als einen Rückzugsort von den Widrigkeiten eines hektischen Stadtlebens erscheinen lassen, waren die Thermen in selbiges voll integriert.
Die große Apsis, die der Form nach dem Theater gleicht und mit Sitzreihen bestückt war, konnte als Bühne genutzt werden. Philosophen und Redner konnten hier ihr Können demonstrieren und die Besucher unterhalten. Auch die Nachrichten über solche Römer, die das Bad vor allem deshalb aufgesucht haben sollen, um dort eine Einladung zu einem Abendessen zu ergattern, zeigt, dass die Thermen die Römer nicht von dem gesellschaftlichen Leben abschirmte; es setzte sich in ihnen vielmehr fort. Die missbilligenden Kommentare über solch ein Verhalten, legen aber auch nahe, dass manch ein Römer in den Thermen nach Zerstreuung und Erholung suchte.
Gespeist wurden die Trajansthermen, die einen gewaltigen Bedarf an Wasser hatten, neben einem eigens zu diesem Zweck angelegten Aquädukt, der Aqua Traiana, aus einer Zisterne, die als Sette Sale bezeichnet wird. Der Wasserspeicher befand sich im oberen Stock des Gebäudes, das in unmittelbarer Nähe der Therme, aber von dieser heutzutage durch die Via delle Terme di Traiano getrennt, zu besichtigen ist.
Die Thermen zeichneten sich neben ihrer technischen Raffinesse auch durch eine luxuriöse Ausstattung aus. So wurde eines der berühmtesten Kunstwerke der Antike nahe der Sette Sale gefunden. Die Figur des trojanischen Priesters Laokoon, der mit seinen beiden Söhnen von einer Seeschlange angegriffen wird, passt aufgrund der maritimen Thematik gut in einen Thermenbau.
Mit den Titus- und Trajansthermen war nun auch das Zentrum der Stadt mit zwei großen öffentlichen Bädern ausgestattet, während vor allem die östlichen Bezirke noch immer ohne eigene Thermen waren. Es war die neue Dynastie der Severer, die das Reich seit 192 n. Chr. regierte, die sich der Problematik annehmen und Abhilfe schaffen sollte.
Die in der Antike als Thermae Antoninianae und in der Moderne als Caracallathermen bekannte Badeanlage lag im Südosten der Stadt an der Via Appia. Begonnen wurde der Bau bereits von Septimius Severus, dem Vater des Namensgebers Caracalla. Dass Letzterer die Bauarbeiten an dem Badehaus vollendete, berichtet uns der spätantike Historiograph Aurelius Victor.
Aur. Vict. Caes. 21,4 (Übers. Kirsten Groß-Albenhausen / Manfred Fuhrmann): „Ägyptische Kulte wurden von ihm in Rom eingeführt, die Stadt durch den Zuwachs einer neuen Straße vergrößert und prächtig angelegte Bauten zu Badezwecken vollendet.“
Anders als bei den Trajansthermen ist der Badeblock so gut erhalten, dass er aus der Luft zu erkennen ist. Aus dieser perspektive wird auch sein symmetrischer Aufbau sichtbar. Auf der zentralen Mittelachse sind im Nordosten die große Natatio, das „Freibad“, zu erkennen, es folgt das Frigidarium, der Kaltbaderaum, an den sich das Tepidarium anschließt, ein lauwarmer Raum, der als Wärmeschleuse fungierte. Dem Bau vorgelagert, befand sich das kreisrunde Caldarium, der Raum für die heißen Bäder. Er war üblicherweise Weise nach Südwesten ausgerichtet, um so viel Sonneneinstrahlung wie möglich für die Wärmegewinnung einzufangen. Rechts und links der Mittelache befanden sich Umkleideräume und Sporthallen. Vor dem Caldarium lag eine Exedra, die wie in den Trajansthermen als Bühne genutzt werden konnte.
Die gewaltigen Ausmaße des Komplexes sind aus der Luft zu erfassen. Die Caracalla-Thermen übertrafen die des Trajan noch einmal an Größe. Die Dimensionen der Anlage machen auch deutlich, warum die gesamte Dynastie an dem Projekt baute bevor dieses samt der äußeren Umfassung und Säulenhalle fertiggestellt war, wie wir aus der Historia Augusta erfahren.
Hist. Aug. Heliog. 17,8-9 (Übers. Ernst Hohl):
„Öffentliche Bauwerke gibt es von ihm keine mit Ausnahme des Tempels des Gottes Heliogabalus, den die einen als Sonnengott, die anderen als Iuppiter bezeichnen, und des nach einer Feuersbrunst wieder aufgebauten Amphitheaters und des Bades in der Sulpiciusstraße, das Antoninus, der Sohn des Severus begonnen hatte. (9) Das Bad hatte übrigens Antoninus Caracalla eingeweiht, indem er selbst darin badete und das Volk zuließ; nur die Säulenhallen hatten noch gefehlt; sie wurden dann von diesem unechten Antoninus in Angriff genommen, aber erst von Alexander vollendet.“
Hist. Aug. Alex. 25,3-6 (Übers. Ernst Hohl):
„Die Bauten früherer Kaiser stellte er wieder her; er selbst führte viele Neubauten auf (sic!), darunter Thermen, die seinen Namen trugen und in denjenigen Neros lagen; sie wurden mit einer eigenen Wasserleitung versehen, die heutzutage die alexandrinische genannt wird. (4) Er versah seine Thermen mit einer Parkanlage auf seinem eigenen, von ihm erworbenen Grund und Boden, wozu er die dort befindlichen Gebäude einließ. (5) Er war der erste Kaiser der eines, der eines der Badebassins nach dem Ozean benannte, was Trajan nicht getan hatte, der den einzelnen Bassins die Namen der Tage beilegte. (6) Die Thermen des Antoninus Caracalla vervollständigte und verschönerte er durch den Anbau von Säulenhallen.“
Insbesondere das Caldarium, in dem stehend wir hier einen Blick in die Mittelachse des Baus hinein werfen, erregte in der Antike Staunen – nicht nur der Besucher, auch der Architekten.
Hist. Aug. Carac. 9,4-5 (Übers. Ernst Hohl):
„An Bauten hinterließ er in Rom die hervorragenden, nach ihm benannten Thermen, deren Warmbaderaum nach dem Urteil der Architekten durch keine Nachahmung in dieser Vollendung erreicht werden kann. (5) Es soll nämlich ein aus Bronze oder Kupfer gefertigtes Gerüst unterlegt sein, auf dem die gesamte Wölbung ruht, wobei die Spannweite so groß ist, daß sachkundige Ingenieure diese Art der Konstruktion für unausführbar erklären.“
Auch heute noch beeindrucken die Ruinen der Thermen durch ihre Größe und lassen den Eindruck erahnen, die sie auf denjenigen machten, der sich Rom aus Südosten über die Via Appia näherten. Was dieser als erster erblickte war der gewaltige Bau, den die herrschende Dynastie dem eigenen Volk gestiftet hatte. Nicht mehr durch Foren, sondern durch Thermen, prägten die Kaiser nun das Stadtbild und verewigten sich in demselben. Für Caracalla gilt allerdings das gleiche wie für Nero: Seine Bäder liebte man, er selbst war verhasst.
Die technischen Meisterleistungen der Thermen wie die Wasserversorgung über Aquädukte und Zisternen, vor allem aber für die Beheizung des Gebäudes mithilfe der Hypokausten war eine nicht geringe Anzahl von Bediensteten, vorrangig Sklaven nötig. Diese blieben für die Besucher größtenteils unsichtbar, weil sie in unterirdischen Gängen ihre Arbeit verrichteten, so dass der Badegast den Anschein einer Automatisierung vermittelt bekam.
Unter den Caracallathermen befand sich zudem ein Mithräum, eine Kultstätte für den orientalischen Mysterienkult des Gottes Mithras. Das Foto zeigt die charakteristische Darstellung des Gottes, der einen Stier tötet. Der Mithraskult war besonders bei den Mitgliedern der römischen Armee beliebt, die mit ihm im Osten des reiches in Berührung gekommen waren. Die Thermen, die an der Via Appia lagen, auf der die aus dem Osten kommenden Truppen sich Rom näherten, und die wohl zum Teil auch von Veteranen erbaut worden sind, dienten also vielleicht auch als ein Monument, durch das Caracalla seine enge Verbundenheit mit den römischen Truppen demonstrieren wollte.
Ein wichtiger Unterschied zu modernen Schwimmbädern ist, dass die Römer nicht schwammen. Zwar gab es größere Bassins, in denen nach Art eines Whirlpools mehrere Personen Platz fanden, und die Natatio, das Becken unter freiem Himmel – doch war auch letzteres kaum tief genug für ernsthafte Schwimmübungen. Vor allem badeten die Römer in einzelnen Wannen nebeneinander, so dass sie sich unterhalten konnten, während sie sich von ihrem Sklaven den Rücken schrubben oder sich nach dem Bad abtrocknen ließen.
In den Bädern gab es regelrechte Stars, die sich etwa in den bei den Römern besonders beliebten Disziplinen des Ballspiels hervortaten und deren Darbietungen zu echten Publikumsmagneten wurden. In dieser Hinsicht schufen die Thermen tatsächlich eine Gegenwelt, zu den anderen Bereichen des öffentlichen Lebens. Die Bürger begegneten sich hier nackt und erwarben sich Ruhm durch Fähigkeiten, die auf dem Forum nichts wert waren.
Die statuarische Ausstattung der Caracallathermen war nicht weniger reichhaltig als die der Trajansthermen. Aus ihnen stammt etwa die Darstellung der unter den Hufschlägen eines rasenden Stieres sterbenden Dirce.
Bildnachweise:
Satellitenansichten - © Google Earth;
Palatin, Panorama - Wikimedia Commons;
Palatin, Grundriss des Hauses des Augustus - E.M. Steinby (Ed.): Lexicon Topographicum Urbis Romae. Bd. II, Rom 1995, 396, Fig. 17;
Palatin, Wandmalereien aus dem H. des Augustus - Wikimedia Commons, Wikimedia Commons;
Palatin, Münzbild (RIC I 78, Nr. 177) Pforte H. des Augustus - British Museum;
Palatin, Clipeus aus Arles - Wikimedia Commons, Apollodarstellung Haus d. Augustus - Wikimedia Commons, Plan des Palatins - Wikimedia Commons;
Bruchstück des Kultbilds des Apollotempels - Wikimedia Commons, Plan der Paläste auf dem Palatin - Wikimedia Commons, Ansicht des Palatins - Wikimedia Commons;
Palatin, Plan der Domus Flavia - E.M. Steinby (Ed.): Lexicon Topographicum Urbis Romae. Vol. II, Rom 1995, 393, fig. 11;
Palatin, Stadion des Domitian - Wikimedia Commons;
Sesterz des Domitian - E.M. Steinby (Ed.): Lexicon Topographicum Urbis Romae. Vol. II, Rom 1995, 394, fig. 12: BMCRE II, 406 Nr. * (Taf./Pl. 81.3);
Templum Divi Iuli, Grundriss - Wikimedia Commons, Überreste - Wikimedia Commons;
Hadrianischer Sesterz, rostrae aedis divi Iulii - E.M. Steinby (Ed.): Lexicon Topographicum Urbis Romae. Vol. III, Rom 1996, 428, fig. 80: BMC 1309;
Ort der Kremation Caesars - D-DAI-ROM-2008.2208, Wikimedia Commons;
Templum Divi Iuli, Denar des Augustus - Wikimedia Commons, Rekonstruktion - Wikimedia Commons;
Claudiustempel, Lage - Wikimedia Commons;
Claudiustempel, Forma Urbis - E.M. Steinby (Ed.): Lexicon Topographicum Urbis Romae. Vol. I, Rom 1993, 459, fig. 163;
Claudiustempel, Gismondi-Modell - Wikimedia Commons, Arkaden - Wikimedia Commons;
Vespasianstempel, Rekonstruktion - Digitales Forum Romanum, Überreste - D-DAI-ROM-2008.2406;
Tempel des Antoninus Pius - D-DAI-ROM-2008.2493, Wikimedia Commons, Inschrift - Wikimedia Commons;
Titusbogen - D-DAI-ROM-2008.2536, D-DAI-ROM-2008.2404, D-DAI-ROM-2008.2543, D-DAI-ROM-2008.2542;
Kolosseum, Außenansicht - © Civitas, Forma Urbis - E. Rodríguez Almeida, Forma Urbis Marmorea. Aggiornamento generale 1980, Rom 1981;
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Domitians Bauten auf dem Marsfeld, Plan - Wikimedia Commons, Forma Urbis I - R.H. Darwall-Smith, Emperors and Architecture: A Study of Flavian Rome, Collection Latomus 231 (Brüssel 1996), Fig. 46;
Marsfeld, Forma Urbis II - E.M. Steinby (Ed.): Lexicon Topographicum Urbis Romae. Vol. I, Rom 1993, 429, fig. 122a;
Hlgt. der Isis und Serapis (Grab der Haterii) - F. Sinn / K. S. Freyberger, Vat. Museen / Museo Gregoriano Profano ex Lateranense. Kat. der Sklpt. I. Die Grabdenkmäler 2: Die Ausst. des Hateriergrabes, Mainz 1996, Taf. 22/1;
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Hlgt. der Isis und Serapis, Obelisk auf der Piazza Navona - Wikimedia Commons, Arkaden des Stadions - Wikimedia Commons;
Odeion des Domitian, Säule - Wikimedia Commons, Moderne Bebauung - Wikimedia Commons, Wikimedia Commons;
Kaiserforen, Gismondi-Modell -Wikimedia Commons;
Nervaforum, Fassade des Minervatempels - E.M. Steinby (Ed.): Lexicon Topographicum Urbis Romae. Vol. II, Rom 1995, 477, fig. 147;
Nervaforum, Fundamente des Ianustempels - Wikimedia Commons, Marmorboden - Wikimedia Commons;
Nervaforum, Colonacce - Wikimedia Commons, Dekor - Wikimedia Commons;
Trajansforum, Grundriss - Wikimedia Commons, Exedra - Wikimedia Commons, Marmorboden - Wikimedia Commons, Säulenhallen - Wikimedia Commons;
Trajansforum, Forma Urbis - E.M. Steinby (Ed.): Lexicon Topographicum Urbis Romae. Vol. II, Rom 1995, 491, fig. 170;
Basilica Ulpia, Grundriss - Wikimedia Commons, Überreste - Wikimedia Commons, Rekonstruktion - Wikimedia Commons;
Trajanssäule - Wikimedia Commons, Wikimedia Commons, Relief - Wikimedia Commons;
Trajansmärkte, Grundriss - Wikimedia Commons, Fassade - Wikimedia Commons, Wikimedia Commons;
Trajansmärkte, Via Biberatica - Wikimedia Commons, Gewölbe - Wikimedia Commons, Dekor - Wikimedia Commons;
Nerothermen, Lage - Wikimedia Commons, Säulen - Wikimedia Commons, Brunnen am Palazzo Madama - Wikimedia Commons;
Titusthermen, Grundriss - E.M. Steinby (Ed.): Lexicon Topographicum Urbis Romae. Vol. V, Rom 1999, 333, fig. 39, mit Trajansthermen- Wikimedia Commons;
Trajansthermen, Umgebung - Wikimedia Commons, Grundriss - E.M. Steinby (Ed.): Lexicon Topographicum Urbis Romae. Vol. V, Rom 1999, 335, fig. 42;
Trajansthermen, Gismondi-Modell - Wikimedia Commons, Sette Sale - Wikimedia Commons, Laokoongruppe - Wikimedia Commons;
Caracallathermen, Lage - Wikimedia Commons, Grundriss - Wikimedia Commons, Caldarium - Wikimedia Commons, Blick von SO - Wikimedia Commons, unterirdische Gänge - Wikimedia Commons;
Kultbild des Mithras - Arachne FA2176-06_21366;
Caracallathermen, Wanne - Wikimedia Commons, Mosaik - Wikimedia Commons, Toro Farnese - Wikimedia Commons;